Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer dem Tod geweiht
Vom Netzwerk:
gelesen, und deshalb trank sie das
Gebräu regelmäßig mit zugehaltener Nase. Erst nachdem sie ihre Tasse mit
Todesverachtung geleert hatte, breitete sie die Zeitung auf der Anrichte aus
und betrachtete die Titelseite.
    Das Foto sagte ihr nichts. Es
zeigte einen düsteren, von einem Polizisten bewachten Eingang. Ein kleineres
Foto, das das große überlappte, war eine Luftaufnahme von einer Lichtung in
einer Art Waldgebiet mit irgendeiner kleinen Kirche in der Mitte, um die
Tatortspezialisten in weißen Overalls herumkrabbelten wie Ameisen.
    Bella überflog den
begleitenden Artikel auf der Suche nach den wichtigsten Informationen: junge
Frau, ermordet, offenbar erstochen, gut gekleidet, nicht identifiziert...
    Sie schlug die Seite drei auf,
wo ein Phantombild abgedruckt war mit der Unterschrift: »Zeuge gesucht«.
Phantombilder, fand Bella, hatten nie eine Ähnlichkeit mit den Personen, die
sie angeblich darstellten, und dieses Gesicht wirkte so alltäglich, dass auf
seiner Grundlage praktisch jeder männliche Jugendliche auf der Straße von der
Polizei aufgegriffen und verhört werden konnte: dunkles Haar, das ihm über die
Augen fiel, fleischige Wangen, trotz der Hitze bekleidet mit einem
Kapuzenshirt. Wenigstens hatte er die Kapuze nicht über den Kopf gezogen.
    Völlig unbrauchbar als
Beschreibung. Eben erst hatte sie auf der Putney High Street mindestens ein
Dutzend Jugendliche gesehen, die dem Bild entsprachen.
    Aus dem Artikel ging hervor,
dass die betreffende Person beim Verlassen des Tatorts auf dem Abney Park
Cemetery gesehen worden war, woraufhin Bella einen alten Stadtplan vom Bücherregal
im Esszimmer nahm. Der Friedhof lag in Stoke Newington, meilenweit von Putney
entfernt, und das gab ihr zu denken.
    Sie war immer noch in Gedanken
vertieft, als sie hörte, wie die Haustür aufgeschlossen wurde und sich durch
den Flur Schritte näherten.
    »Frazer? Sind Sie das, mein
Lieber?«, rief sie, ohne auf eine Antwort zu warten. Sie legte großen Wert
darauf, über das Treiben ihrer Mieter im Bilde zu sein, und Frazer Chaplin kam
jeden Tag um diese Uhrzeit nach Hause, um sich nach seinem Tagesjob frisch zu
machen und sich für seinen Abendjob umzuziehen. Sie bewunderte den jungen Mann
dafür, dass er zwei Jobs bewältigte. Arbeitsame Mieter waren ihr die liebsten.
    »Haben Sie einen Augenblick
Zeit?«
    Als Frazer in der Tür
erschien, blickte sie von ihrem Stadtplan auf. Er hob eine Braue - schwarz wie
sein Haar, das dicht und lockig war und an Spanien unter der Ägide der Mauren
erinnerte. Nur dass der junge Mann Ire war. »Eine Affenhitze, was? Heute waren
sämtliche Jugendlichen aus Bayswater im Eisstadion, Mrs. McH.«
    »Garantiert«, sagte Bella.
»Werfen Sie doch mal einen Blick hierauf, mein Lieber.«
    Sie führte ihn in die Küche
und zeigte ihm die Zeitung. Er überflog den Artikel, dann sah er sie an. »Und?«
Er klang verblüfft.
    »Wieso und? Junge Frau, gut
gekleidet, ermordet...«
    Endlich fiel der Groschen, und
sein Gesichtsausdruck veränderte sich. »Nein, das glaube ich nicht«, sagte er,
wirkte jedoch leicht verunsichert, als er hinzufügte: »Das kann gar nicht sein,
Mrs. McH.«
    »Warum nicht?«
    »Was sollte sie denn in Stoke
Newington zu suchen haben? Und dazu ausgerechnet auf einem Friedhof?« Er
betrachtete noch einmal die beiden Fotos. Dann das Phantombild. Er schüttelte
langsam den Kopf. »Nein, nein. Wirklich. Wahrscheinlich ist sie einfach
irgendwohin gefahren, um mal auszuspannen. Um der Hitze zu entkommen. Ans Meer
oder so. Meinen Sie nicht? Man könnte es ihr jedenfalls nicht verdenken.«
    »Dann hätte sie Bescheid
gesagt, damit niemand sich Sorgen macht. Das wissen Sie genau.«
    Als Frazer von der Zeitung
aufblickte, lag Besorgnis in seinem Blick, wie Bella voller Genugtuung
feststellte. Es gab wenig, das sie mehr nervte als Menschen mit einer langen
Leitung, und sie musste Frazer zugutehalten, dass er schnell schaltete. Er
sagte: »Ich habe nicht wieder gegen die Regeln verstoßen. Ich bin vielleicht
kein Unschuldslamm, aber ich bin auch kein...«
    »Das weiß ich doch, mein
Lieber«, sagte Bella hastig. Er war weiß Gott ein guter Junge. Leicht verführbar
vielleicht. Ein bisschen allzu sehr hinter den Mädchen her. Aber wenn es
darauf ankam, war er ein anständiger Kerl. »Ich weiß, ich weiß. Aber manche
junge Frauen können Raubtiere sein, wie Sie aus eigener Erfahrung wissen.«
    »Diesmal nicht. Und nicht
diese junge Frau.«
    »Aber Sie waren doch mit ihr
befreundet,

Weitere Kostenlose Bücher