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George, Elizabeth

George, Elizabeth

Titel: George, Elizabeth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wer dem Tod geweiht
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gesprochen hatten oder sich daran erinnerten, wo sie
ihn gesehen hatten - es spielte keine Rolle. Nichts spielte eine Rolle. Er
hatte versagt, und damit würde er leben müssen.
     
    6
     
    Isabelle Ardery gefiel es ganz
und gar nicht, dass AC Hillier zur Teambesprechung erschienen war. Obwohl er
behauptete, er sei nur gekommen, um seine Anerkennung für die Pressekonferenz
zum Ausdruck zu bringen, die sie am vorigen Nachmittag gehalten hatte, roch
sein Besuch nach Kontrolle, und das war ihr unangenehm. Am liebsten hätte sie
ihm gesagt, dass sie nicht von gestern war: Sie wusste genau, warum er gekommen
war und sich wichtigtuerisch am hinteren Ende des Besprechungszimmers
aufgepflanzt hatte, und sie wusste auch, dass der leitende Ermittler - in diesem Fall ich, Sir - sich ohnehin danach zu richten
hatte, welche Informationen der Pressesprecher an die Medien zu geben bereit
war, also bestand überhaupt kein Anlass zur Lobhudelei. Sie hatte das
Kompliment jedoch mit einem höflichen »Danke, Sir« akzeptiert und darauf
gewartet, dass er wieder verschwand. »Sie halten mich doch auf dem Laufenden,
Acting Superintendent, nicht wahr?«, hatte er noch gesagt, und auch diese
Botschaft war angekommen. Acting Superintendent. Man brauchte sie nicht daran zu
erinnern, dass dies ihre Probezeit war, aber der Mann hatte sich offenbar
vorgenommen, sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinzuweisen. Sie
hatte ihm geantwortet, die Pressekonferenz und der Aufruf an die Bürger, sich
als Zeugen zu melden, sofern sie etwas Verdächtiges beobachtet hatten, trügen
bereits Früchte, und sie hatte ihn gefragt, ob er eine Zusammenfassung der
täglich eingehenden Anrufe wünsche. Er hatte sie prüfend angesehen, als
versuchte er zu ergründen, was hinter ihrer Frage steckte, und hatte das
Angebot schließlich abgelehnt, und ihre Miene war ausdruckslos geblieben.
Womöglich war er zu dem Schluss gekommen, dass sie es ehrlich meinte. »Wir
sehen uns später«, hatte er gesagt, und damit war das Gespräch beendet gewesen.
Er war gegangen und hatte sie den feindseligen Blicken von DI John Stewart
überlassen, die sie ignorierte, so gut es ging.
    In Stoke Newington hatte man
mit den Haustürbefragungen begonnen. Der langsame Prozess der Spurensuche auf
dem Friedhof war noch nicht beendet, Anrufe aus der Bevölkerung wurden
bearbeitet, Diagramme und Pläne waren erstellt worden. Man rechnete damit,
dass die Pressekonferenz, die darauf folgenden Berichte in Nachrichten und
Zeitungen und das Phantombild, das nach den Angaben der beiden Jugendlichen
angefertigt worden war, die die Leiche entdeckt hatten, zu wichtigen Hinweisen
führen würden. Es lief alles wie geplant. Bisher war Isabelle mit ihrer Arbeit
zufrieden.
    Der Obduktion allerdings sah
sie mit gemischten Gefühlen entgegen. Dafür hatte sie noch nie etwas übrig
gehabt. Sie war weit davon entfernt, beim Anblick von Blut in Ohnmacht zu
fallen, aber der Anblick eines geöffneten Brustkorbs und das Entfernen und
Wiegen von Teilen, die noch vor Kurzem funktionstüchtige Organe gewesen waren,
drehte ihr regelmäßig den Magen um. Aus diesem Grund beschloss sie, am
Nachmittag ohne Begleitung zur Rechtsmedizin zu gehen, um der Obduktion
beizuwohnen. Außerdem ließ sie das Mittagessen aus und leerte stattdessen eines
der drei Fläschchen Wodka, die sie extra zu diesem Zweck eingesteckt hatte.
    Sie hatte kein Problem, die
Leichenhalle zu finden, wo ein Rechtsmediziner sie bereits erwartete. Er
stellte sich als Dr. Willeford vor. »Aber nennen Sie mich Blake. Wir wollen
doch ein gutes Klima, nicht wahr?« Dann fragte er sie, ob sie einen Stuhl oder
einen Hocker wünsche, »für den Fall, dass die bevorstehende Untersuchung sich
als zu strapaziös für Sie erweist«. Er klang durchaus freundlich, aber in
seinem Lächeln lag etwas, das ihr nicht behagte. Sie hatte keinen Zweifel
daran, dass ihre Reaktion auf die Autopsie Hillier zu Ohren kommen würde,
dessen Tentakel garantiert selbst bis hierher reichten. Sie schwor sich, nicht
umzukippen, erklärte Willeford, sie rechne nicht mit Problemen, da ihr bisher
noch keine Autopsie irgendwelche bereitet habe - eine glatte Lüge, aber woher
sollte er das wissen? -, und als er in sich hineinlachte, sich das Kinn rieb,
sie musterte und dann verkündete: »Na, dann wollen wir mal«, trat sie an den
Edelstahltisch, heftete ihren Blick auf die Leiche, die dort auf dem Rücken lag
und auf den Y-Schnitt wartete, die tödliche Wunde wie ein blutroter

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