Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika

Titel: George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Soros , Steve Clemons
Vom Netzwerk:
die Bürger regelmäßig zu besteuern, aber in Krisenzeiten muss es bereitstehen. Wenn die Gefahr besteht, dass das Finanzsystem kollabiert, kann die Notenbank zwar Liquidität bereitstellen, aber nur ein Finanzministerium kann Solvenzprobleme bewältigen. Das ist eine wohlbekannte Tatsache, die allen hätte klar sein müssen, die an der Schaffung des Euros beteiligt waren. Issing gibt zu, dass er zu denjenigen gehörte, die überzeugt waren, dass „man das Pferd von hinten aufzäumt, wenn man eine Währungsunion gründet, ohne eine politische Union eingerichtet zu haben“.
    Die Europäische Union wurde ins Leben gerufen, indem man das Pferd von hinten aufzäumte: Es wurden begrenzte, aber politisch erreichbare Ziele und Zeitpläne aufgestellt, und zwar in dem vollen Bewusstsein, dass sie nicht ausreichen würden und dass zu gegebener Zeit weitere Schritte notwendig sein würden. Doch aus diversen Gründen kam der Prozess nach und nach zum Stillstand. Die EU ist jetzt weitgehend in ihrer derzeitigen Gestalt eingefroren.
    Das Gleiche gilt für den Euro. Der Crash 2008 offenbarte dessen Konstruktionsfehler, als die Mitglieder ihre Bankensysteme eigenständig retten mussten. Die griechische Schuldenkrise trieb die Angelegenheit auf die Spitze. Wenn die Mitglieder nicht die nächsten Schritte vorwärts gehen können, dann dürfte der Euro auseinanderbrechen.
    Die ursprüngliche Konstruktion des Euros setzte voraus, dass sich die Mitglieder an die von Maastricht festgelegten Grenzen halten würden. Aber die vorherigen griechischen Regierungen hatten diese Grenzen in unerhörter Weise verletzt. Die Regierung von Giorgios Papandreou, die im vergangenen Oktober mit dem Auftrag gewählt wurde, reinen Tisch zu machen, enthüllte, dass sich das Haushaltsdefizit 2009 auf 12,7 Prozent belief, was sowohl die europäischen Behörden als auch die Märkte schockierte. Die europäischen Behörden akzeptierten einen Plan, der das Defizit nach und nach mit einer Anfangsrate von vier Prozent senken sollte, aber die Märkte ließen sich dadurch nicht beruhigen. Die Risikoprämie auf griechische Staatsanleihen beträgt weiterhin etwa drei Prozent und entzieht Griechenland viel von dem Nutzen der Euro-Mitgliedschaft. Wenn das so weitergeht, besteht die reale Gefahr, dass sich Griechenland möglicherweise nicht selbst aus seiner Notlage befreien kann, egal was es tut. Weitere Haushaltseinschnitte würden die Wirtschaftsaktivität weiter dämpfen, die Steuereinnahmen verringern und das Verhältnis Schulden/BIP verschlechtern. Aufgrund dieser Gefahr wird die Risikoprämie ohne Hilfe von außen nicht zu ihrem vorherigen Stand zurückkehren.
    Diese Situation wird noch durch den Markt für Credit Default Swaps verschärft, der zugunsten derjenigen verzerrt ist, die auf Bankrott spekulieren. Da sie mit CDS long stehen, sinkt automatisch das Risiko, wenn sie sich irren. Es ist umgekehrt wie beim Leerverkauf von Aktien, denn dabei wächst automatisch das Risiko, wenn man falschliegt. Die Spekulation mit CDS könnte die Risikoprämien weiter in die Höhe treiben.
    In Anerkennung des Bedarfs verpflichtete sich die letzte Ecofin-Versammlung der EU-Finanzminister erstmals, „die Finanzstabilität in der gesamten Eurozone sicherzustellen“. Aber sie haben dafür noch keinen Mechanismus gefunden, denn die derzeitigen institutionellen Arrangements bieten keinen – obwohl Artikel 123 des Lissabon-Vertrags eine rechtliche Grundlage dafür bildet. Die effektivste Lösung bestünde darin, gemeinsam und gesondert verbürgte Eurobonds zur Finanzierung von, sagen wir, 75 Prozent der fälligen Schulden auszugeben, solange Griechenland seine Ziele erfüllt, und Athen den Rest seines Bedarfs finanzieren zu lassen, so gut es eben geht. Dies würde die Finanzierungskosten wesentlich senken und käme der an Bedingungen geknüpften Auszahlung von Kredit-Tranchen durch den Internationalen Währungsfonds gleich.
    Allerdings ist das gegenwärtig politisch unmöglich, weil Deutschland knallhart dagegen ist, als Zahlmeister für seine verschwenderischen Partner zu fungieren. Deshalb müssen provisorische Arrangements gefunden werden. Die Regierung Papandreou ist entschlossen, die Missbräuche der Vergangenheit zu beheben, und sie genießt eine bemerkenswerte öffentliche Unterstützung. Zwar gab es Massenproteste und Widerstand seitens der alten Garde der Regierungspartei, aber anscheinend ist die Allgemeinheit bereit, Sparmaßnahmen zu akzeptieren, solange sie

Weitere Kostenlose Bücher