Georgette Heyer
Sosehr es mir
widerstrebt, dir gegenüber den Mund über das Thema der Absonderlichkeiten
deines verstorbenen Vaters zu öffnen, glaube ich, es steht mir zu, zu sagen:
ich leugne zwar nicht, daß er in vieler Hinsicht ein schätzenswerter Mann war,
sein Benehmen jedoch nach dem unglückseligen Ereignis, das sich während deiner
Kindheit zutrug, erschien ebenso egoistisch, wie es schlecht beraten war. Er
kannte meine Gefühle – mehr will ich nicht sagen, außer, daß ich nicht mehr
tun konnte, als die Schicklichkeit zur Kenntnis zu nehmen, mit der sich eine
Tochter dem Willen ihrer Eltern unterwirft. Als du es nach seinem plötzlichen
Ableben für deine Pflicht hieltest, während der – jedenfalls damals
unvermeidlichen – Abwesenheit deines älteren Bruders hier zu bleiben, konnte
ich die Stärke deines Arguments nicht leugnen oder es für richtig halten, dich
zu drängen. Ebenso erneuerte ich meine Überredung nicht, als es offenkundig
wurde, daß Conway, statt zurückzukehren und dich von der Verantwortung zu
befreien, die du in so selbstloser Weise auf deine Schultern genommen hast,
keine Lust zeigte, etwas anderes als sein eigenes Vergnügen zu Rate zu ziehen,
denn ich sah sehr wohl, daß es nutzlos wäre, da man sich darauf verlassen
konnte, daß du Entschuldigungen für ihn finden würdest. Als man mir jedoch den
Inhalt des Briefes zur Kenntnis brachte, den du deiner Tante geschrieben hast –
Venetia, ich habe keine Gewissensbisse zu sagen, daß ich selten schockierter
war, oder daß Conways Verhalten, dir auf eine derartige Art nicht nur seine
Gattin, sondern auch deren Mutter aufzuhalsen, einfach empörend und derart
ist, daß es dich aller Verpflichtungen entbindet, noch weiterhin in Undershaw
zu bleiben!»
«Natürlich ist es das!» stimmte sie
ihm sehr erheitert zu. «Auch ich habe keine Skrupel, das zu sagen! Aber ich
habe es nie für meine Pflicht gehalten, seinetwegen hierzubleiben, müssen Sie
wissen. Ich bin Aubreys wegen geblieben – und ich bitte Sie, stellen Sie sich
nicht vor, daß damit auch nur im geringsten ein Opfer verbunden war! Er und
ich sind die besten Freunde und haben sehr gemütlich miteinander gehaust,
versichere ich Ihnen.»
Er betrachtete sie mit frostigem
Beifall, sagte aber mit seiner trockensten Stimme: «Das werdet ihr wohl kaum
mehr, seit sich Mrs. Scorrier hier einquartiert hat.»
«Stimmt, wirklich nicht. Ich habe
schon erkannt, daß es um so besser sein wird, je eher ich andere Vorkehrungen
für uns beide treffe. Ich bilde mir ein, Mrs. Scorrier hat Ihnen ihr versöhnlichstes
Gesicht gezeigt, so daß es Ihnen unmöglich wird zu glauben, wie abscheulich ich
sie finde!»
«Meine liebe Venetia, das brauchst
du mir nicht zu sagen, denn ich kenne ihre Sorte sehr gut! Ein sehr
aufdringliches, anmaßendes Frauenzimmer, dem sowohl Haltung wie Manieren
abgehen. Verlasse dich darauf, die unziemliche Eile dieser Heirat kann nur ihr
zugeschrieben werden! Auf mein Wort, es ist ihr ja eine sehr gute Verbindung
für ihre Tochter gelungen! Es mißfällt mir außerordentlich, daß Conway nicht
vernünftiger war, als sich an ein solches Nichts von einem Mädchen zu fesseln,
das nichts besitzt, was es empfehlen könnte, als ein hübsches Gesicht und ein
liebenswürdiges Naturell. Ihre Herkunft ist nicht mehr als gerade respektabel,
und was ein Vermögen betrifft, würde ich bezweifeln, daß sie mehr als
eintausend Pfund Apanage hat, sehr wahrscheinlich aber noch weniger, denn die
Scorriers sind nicht reich, und ihr Vater war außerdem ein jüngerer Sohn.»
Dieser Umstand schien seinen
Widerwillen noch zu vergrößern, und eine Weile war er unfähig, über ihn
hinwegzugehen. Aber als er verschiedene bissige Bemerkungen angebracht und kurz
über das Übel der Heftigkeit und des Leichtsinns moralisiert hatte, kehrte er
zum Zweck seines Besuches zurück, und das in einer Art, die zeigte, daß er den
festen Entschluß gefaßt hatte, Venetia unverzüglich aus Undershaw zu
entfernen. «Ich wünsche dich nicht zu inkommodieren, Venetia, aber es wäre mir
sehr angenehm, wenn du dich bereitmachen könntest, schon morgen früh mit mir zu
fahren.»
«Aber das kann ich nicht! Selbst
wenn – lieber Sir, Sie müssen mir Zeit lassen, nachzudenken! Da gibt es soviel
zu überlegen – Aubrey – Undershaw – oh, manchmal' glaube ich, ich habe die
Pflicht, hierzubleiben, bis Conway zurückkommt, denn nur der Himmel mag
wissen, was dieses Frauenzimmer alles anstellt, wenn man sie hier
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