Georgette Heyer
niemals
auffallende Westen oder übertrieben hohe Kragenspitzen und hatte unerbittlich
seine Kundschaft von Stultz auf Weston übertragen, als Mr. Stultz so unklug
gewesen war, ihm seinen neuen Rock mit Knöpfen verschönt zu liefern, die nach
der allerletzten Mode entworfen und genau doppelt so groß waren, als es Mr.
Hendred für geziemend erachtete.
Obgleich er das modische Extrem
vermied, war Mr. Hendred ein Gentleman ersten Ranges, denn abgesehen davon, daß
er alle Vorteile eines sehr großen Vermögens genoß, besaß er so gute Verbindungen,
daß es unklug gewesen wäre, in seiner Gegenwart irgendwelche abfällige
Bemerkungen über ein Mitglied der Aristokratie zu machen, da immer die Chance
bestand, daß er in irgendeiner Weise gerade mit dem betreffenden Pair verwandt
war. Er war Mitglied des Parlaments, Friedensrichter, und da seine bemerkenswerte
Begabung für Geschäfte mit einem strengen Pflichtgefühl verbunden war, fiel
jedem, der einen Treuhänder oder Testamentsvollstrecker brauchte, zuerst sein
Name ein.
Ohne habgierig zu sein, war er doch
gern sparsam. Er pflegte keine unnötigen Ausgaben in seinem Haushalt zu dulden.
Und wäh rend ereinem französischen Koch einen so hohen Betrag wie sechzig
Pfund im Jahr zahlte und niemals mit gemieteten Postjungen reiste, war seine
Gattin klug genug, ihn nicht überreden zu wollen, daß er auch nur um einen
einzigen Lakaien mehr anstelle, als er es für nötig hielt, damit der Haushalt
glatt lief. Neben einem Herrenhaus am Cavendish Square besaß er ein sehr großes
Gut in Berkshire und weniger wichtige in zwei anderen Landesteilen. Aber im
Gegensatz zum fünften Herzog von Devonshire, der das ganze Jahr hindurch nicht
weniger als zehn Häuser mit der vollen Anzahl von Dienerschaft ausgestattet
hielt, liefen die seinen mit nicht mehr als den nötigsten Leuten in guter
Ordnung.
Venetia hatte ihn zum erstenmal
kennengelernt, als sie von ihrer Tante eingeladen worden war, eine Woche in
Harrogate zu verbringen. Mr. Hendred war geraten worden, zu versuchen, ob die
berühmten Trinkkuren ihn von seinen Magenverstimmungen zu heilen vermochten.
Unglücklicherweise aber vertrug seine Konstitution weder das Wasser noch das
Klima, und nach zehn Tagen elenden Unbehagens trat er angewidert den Rückzug
an. Aber trotz seiner Leiden war er ein freundlicher und aufmerksamer Gastgeber
gewesen, der jeden Plan zu Venenas Unterhaltung gefördert hatte und dem es
gelungen war, ihr ohne eine unpassende Kritik an der Ausgefallenheit seines
Schwagers klarzumachen, daß er das zurückgezogene Leben schwer verurteile, zu
dem sie gezwungen wurde, und daß er glücklich wäre, sie davor zu retten. Das
war nicht möglich gewesen. Als er dann nach Sir Francis Lanyons Tod sein
Angebot der Gastfreundschaft wiederholt hatte, war es ihr nicht möglicher
erschienen als vorher. Sie hatte es abgelehnt. Er hatte ihrer Entscheidung
zugestimmt. Als die Angelegenheit dann fallengelassen wurde, hatte sie
angenommen, daß er ihre Weigerung als unwiderruflich akzeptiert hätte. Sie war
daher ziemlich erschrokken, als sie von ihm erfuhr, der einzige Zweck, warum
er nach Undershaw gekommen war, sei der, sie unverzüglich zum Cavendish Square
mitzunehmen, wo sie sich, wie er überzeugt war, für einen willkommenen Zuwachs
seiner Familie halten würde.
Sie war sehr gerührt, aber er wollte
es nicht zulassen, daß sie ihm das Gefühl ihrer Dankesschuld zum Ausdruck
brachte. Er legte die Fingerspitzen aneinander und sagte mit maßvoller
Strenge: «Du bist dir, liebste Venetia, zweifellos bewußt, wie meine Gefühle
dir gegenüber immer waren. Ich hoffe, ich brauche nicht hinzuzufügen, daß
sowohl deine Tante wie ich dich sehr gern haben und schätzen. Lobsprüche liegen
meinem Wesen fern, aber ich zögere nicht, dir zu sagen, daß dein Verhalten,
das sich immer durch Vernunft und aufrechte Prinzipien auszeichnete, derart
ist, daß es Respekt abnötigt. Ja, meine liebe
Nichte», sagte er und erwärmte sich für sein Thema, «du bist ein sehr braves
Mädchen und bist von jenen, die sich dein Behagen zum ersten Anliegen hätten machen
müssen, schäbig behandelt worden! Laß mich dir versichern, daß es mir eine
große Freude machen wird, alles in meiner Macht stehende zu tun, um dich für
die Jahre zu entschädigen, die du dem geopfert hast, was du als deine Pflicht
ansahst!» Sie protestierte mit einer Geste, aber er schaute sie bloß streng an
und sagte scharf: «Erlaube mir, bitte, offen zu dir zu sein.
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