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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venetia und der Wuestling
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Wangen vom
Wind anmutig gerötet und die Schleppe des Reitanzuges über den Arm geworfen.
Als Mr. Hendred sich von einem Stuhl am Kamin erhob und auf sie zukam, ließ
sie den Rock um die Füße fallen, warf die Gerte beiseite und lief mit
ausgestreckten Händen auf ihn zu: «Mein lieber Sir, ist das eine reizende
Überraschung! Ich bin so froh, Sie zu sehen – aber ich warne Sie, das wird mich
nicht daran hindern, ein Hühnchen mit Ihnen zu rupfen! Lassen Sie sich sagen,
daß wir in Yorkshire es für eine Beleidigung halten, wenn unsere Gäste ihre
Diener und Pferde in einem Gasthof füttern lassen!»
    Bevor er noch antworten konnte,
schaltete sich Mrs. Scorrier ein und sagte schelmisch: «Ah, habe ich Ihnen
nicht versichert, Sir, daß Miss Lanyon Ihnen heftige Vorwürfe machen würde?
Aber Sie müssen wissen, liebe Miss Lanyon, daß es seit neuestem in vielen
Herrensitzen, die bei weitem größer sind als dieser, zur Regel geworden ist,
die Pferde von Besuchern oder mehr als einen Diener nicht im Haus
einzuquartieren.»
    «Das entspricht jedenfalls nicht
unseren Vorstellungen von Gastfreundschaft hier im Norden», sagte Venetia.
«Aber erzählen Sie mir, was bringt Sie nach Undershaw? Ich hoffe, Sie haben
vor, bei dieser Gelegenheit endlich einmal einen außerordentlich langen Aufenthalt
zu nehmen und nicht wieder in größter Eile davonzusausen, bevor es uns
überhaupt zu Bewußtsein gekommen ist, daß Sie angekommen sind!»
    Sein eher strenges Gesicht lockerte
sich in einem leichten Lächeln; er antwortete trocken und pedantisch: «Wie du
weißt, meine liebe Venetia, verfüge ich über meine Zeit nicht in dem Ausmaß,
wie ich das manchmal wünschen würde. Der Zweck meines Besuches betrifft dich,
wie ich dir sofort zu erklären hoffe.»
    Sie war etwas überrascht, aber da er
ihr wichtigster Vermögensverwalter war, nahm sie an, er müsse gekommen sein,
um irgendeine geschäftliche Angelegenheit mit ihr zu besprechen. Sie zwinkerte
ihm zu und sagte: «Wenn Sie gekommen sind, um mir zu erzählen, daß mein
Vermögen auf diesem mysteriösen Ding, das man Börse nennt, dahingeschwunden
ist, dann warten Sie damit, bitte, bis ich mir ein paar angesengte Federn und
etwas Riechsalz besorgt habe!»
    Er lächelte wieder, aber nur sehr
flüchtig, weil allein schon eine solche Andeutung zu entsetzlich war, um
humorvoll zu sein. Mrs. Scorrier schmuggelte sich wieder in das Gespräch ein.
«Es ist zu schlimm von Ihnen, sie zappeln zu lassen, Mr. Hendred, besonders, da
Sie eine so entzückende Freude für sie bereit haben! Keine Angst, Miss Lanyon!
Ich gebe Ihnen mein Wort, das Anliegen Ihres Onkels ist von der Sorte, daß es
Sie viel eher in einen Begeisterungstaumel versetzen als erschrecken wird!»
    Venetia waren inzwischen schon zwei
Umstände klargeworden. Der überströmenden Höflichkeit Mrs. Scorriers entnahm
sie, daß dieser Mr. Hendreds gesellschaftlicher und finanzieller Stand sehr gut bekannt war und sie daher
entschlossen war, sich bei ihm beliebt zu machen; und aus dem kalten Blick,
mit dem ihre Bemühungen aufgenommen wurden, ging hervor, daß Mr. Hendred eine
starke Abneigung gegen sie gefaßt hatte. Venetia hielt es für gut, ihn aus
ihrer Umgebung zu entfernen, bevor sie ihn dazu reizte, ihr eine scharfe Abfuhr
zu erteilen. Daher lud Venetia ihn ein, mit ihr ins Frühstückszimmer zu kommen,
da sie gern das eine oder andere Geschäftliche mit ihm besprochen hätte. Mrs.
Scorrier nahm dies erstaunlich gut auf und erklärte ihrer Tochter ihre Nachgiebigkeit,
sowie sie allein waren, mit der schlichten Ankündigung, daß es von Mr. Hendred
hieß, er sei bis auf den Pfennig genau nicht weniger als 20 000 Pfund im Jahr
wert.
    Daraufhin machte Charlotte große
Augen, denn an Mister Hendreds Erscheinung gab es nichts, was auf Überfluß
gedeutet hätte. Mit Ausnahme der subtilen Unterscheidung, die jedem Rock, wie
schlicht auch immer er sein mochte, anhaftete, der aus Westons Werkstätte kam,
hätte er für einen Anwalt in ansehnlichen, aber nicht üppigen Verhältnissen
gelten können. Er war dürr, nicht ganz mittelgroß, hatte spindeldürre Beine,
spärliches graues Haar und ein scharfes Gesicht, das alle Zeichen einer
chronisch schlechten Verdauung trug. Er kleidete sich immer adrett und
schicklich, aber da ihm jede Form von Extravaganz oder Aufsehen gräßlich war,
trug er keinen anderen Schmuck als seinen Siegelring und eine bescheidene
Goldnadel, die die Falten seines Halstuches festhielt. Er bevorzugte

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