Georgette Heyer
denn Ihre Kaiserin
wieder angestellt, daß sie Sie von daheim vertrieben hat, bewundernswerte
Venetia?»
Er sprach leichthin, dennoch mit
einer Spur Schroffheit in der Stimme, als sei ihr Besuch eine unwillkommene
Störung. Sie drehte sich um, weil sie in seinem Gesicht lesen wollte, und
sagte mit einem schwachen Lächeln: «Haben Sie sehr viel zu tun? Es klingt nicht
danach, als freuten Sie sich, mich zu sehen!»
«Ich freue mich auch nicht, Sie zu
sehen», antwortete er. «Sie wissen ja, daß Sie nicht hier sein sollten.»
«Das scheint Imber auch zu denken –
aber das ist mir gleichgültig.» Sie ging langsam zu dem Tisch in der Mitte des
Zimmers, blieb dort stehen und zog die Handschuhe aus. «Ich hielt es für
besser, zu Ihnen zu kommen, als zu warten, bis Sie zu mir kämen. Es hätte
leicht sein können, daß man uns nicht allein gelassen hätte, und ich muß Sie
um Rat fragen. Es ist etwas völlig Unvorhergesehenes geschehen, und ich
brauche Ihren Rat, mein lieber Freund. Mein Onkel ist angekommen.»
«Ihr Onkel?» wiederholte er.
«Mein Onkel Hendred – mein
angeheirateter Onkel, sollte ich eigentlich sagen. Damerel, er will mich nach
London mitnehmen, und zwar sofort!»
«Aha», sagte er nach einem
Augenblick des Schweigens. «Nun – so endet also eine bezaubernde Herbstidylle,
nicht?»
«Glauben Sie, daß ich hergekommen
sei, um Ihnen das zu sagen?» fragte sie.
Er schaute sie an, die Augen etwas
schmal. «Wahrscheinlich nicht. Aber es ist wahr. Unerfreulich, gebe ich zu,
aber trotzdem wahr.»
Sie hatte das Gefühl, als erstarre
das Blut in ihren Adern langsam zu Eis. Er hatte sich abrupt abgewandt und
ging zum Fenster hinüber; sie folgte ihm mit den Augen, sagte aber nichts. Er
sagte schroff: «Ja, es ist das Ende einer Idylle. Es war ein goldener Herbst,
nicht? Aber noch eine Woche, und nicht ein Blatt wird mehr an den Bäumen
hängen. Ihr Onkel hat seine Ankunft gut abgestimmt. Es ist nicht Ihre Meinung,
nicht, meine Liebe? Aber sie wird es werden, glauben Sie mir.»
Sie sagte immer noch nichts, weil
ihr nichts einfiel, das sie überhaupt hätte sagen können. Es fiel ihr sogar
schwer, den Sinn dessen zu erfassen, was Damerel so Unglaubwürdiges gesagt
hatte, oder die widersprechendsten Gedankenfetzen zu entwirren, die ihr im Kopf
wirbelten. Es war wie in einem bösen Traum, in dem Leute, die man sehr gut
kennt, sich auf einmal phantastisch benehmen, und man machtlos ist, irgendeinem
schrecklichen Verhängnis zu entrinnen. Sie hob die Hand, um sich die Augen zu
reiben, als hätte sie wirklich geträumt. In einer Stimme, die aus einem
Albtraum zu kommen schien, weil sie so leise war, und man in Albträumen, wenn
man zu schreien versucht, doch nie imstande ist, mehr als zu flüstern, sagte
sie: «Warum werde ich das einmal meinen?»
Er zuckte die Achsel. «Ich könnte es
Ihnen sagen, nicht aber Sie überzeugen. Sie werden es selbst entdecken – wenn
Sie weniger unerfahren sind, meine Liebe, und etwas mehr von der Welt wissen
als das, was Sie nur gelesen haben.»
«Werden Sie das auch meinen?» fragte
sie. Ein leichtes Rot stieg in ihre bleichen Wangen; sie fügte demütig hinzu:
«Ich sollte Sie vielleicht nicht fragen, aber ich will es verstehen, und ich
nehme an, ich bin zu dumm – wenn man mir die Dinge nicht erklärt.»
«Ich glaube, es wäre besser gewesen,
wir hätten einander nie getroffen», antwortete er düster.
«Für Sie oder für mich?»
«Oh, für uns beide! Das Ende der
Idylle steckte schon in ihrem Anfang – zumindest ich wußte das, wenn auch Sie
vielleicht nicht. Und ich weiß auch, je hinreißender die Idylle ist, um so
größer der Schmerz, wenn sie endet. Aber der Schmerz wird nicht andauern. In
Wirklichkeit bricht kein Herz, wissen Sie. Nein, natürlich wissen Sie das
nicht, aber nehmen Sie es als wahr hin, denn dafür weiß ich es!»
«Aber verwundet kann es werden»,
sagte sie schlicht.
«Sehr oft – aber immer wieder
heilen, wie es das meine bewiesen hat!»
Sie runzelte die Brauen. «Warum
sagen Sie das? Es ist, als wollten Sie mir absichtlich weh tun, aber das kann
doch nicht stimmen. Ich spüre einfach, daß das nicht sein kann!»
«Nein, ich will Ihnen nicht
absichtlich weh tun. Ich habe Ihnen weh tun wollen. Das Teuflische daran, mein
liebes Entzücken, war, daß du zu süß, zu anbetungswürdig bist, und was der
leichteste und heiterste Flirt werden sollte, verwandelte sich zu etwas Ernsterem,
als ich es vorhatte – oder vorhersah – oder sogar
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