Georgette Heyer
– und ich glaube nicht, daß er es wäre, selbst wenn die
Dinge anders lägen! Er interessiert sich nicht sehr für Menschen. Ich habe dir
das schon früher gesagt, aber du glaubst ja nicht, was ich dir sage. Ich will dir keinen
Kummer bereiten, denn wir waren immer sehr gute Freunde, und – und ich bin dir
großen Dank schuldig, weil du immer so nett warst, aber ich bitte dich, glaube
doch wenigstens das eine! Ich habe nicht vor ...»
«Nun ja, wenn ich ein junger
Hitzkopf wäre wie Aubrey, würde ich dich jetzt aussprechen lassen, was du
später bereuen würdest!» unterbrach er sie und hob warnend den Zeigefinger.
«Und dann würden wir uns zweifellos in einen dummen Zank verwikkeln, bei dem
wir uns vielleicht beide dazu hinreißen ließen, etwas zu sagen, was wir
bereuen müßten! Ich bilde mir ein, ich bin viel vernünftiger, als du es mir
zugestehst, und außerdem, meine Liebe, kenne ich dich etwas besser, als du dich
selbst kennst! Du wirst mir jetzt sagen, ich sei impertinent, aber es ist nun
einmal so, sowenig du das auch glauben magst! Du bist ungestüm, du bist lebhaft
veranlagt, du genießt es, zum ersten Mal das zu kosten, was man
gesellschaftliches Leben nennt, und ich vermute – das heißt, ich bin sicher! –,
daß du sehr viel Bewunderung und Schmeichelei erfährst. Es ist ganz natürlich,
daß dir das ein bißchen den Kopf verdreht hat – ich mißgönne dir deinen Spaß
durchaus nicht, und weißt du, du darfst nicht denken, daß dir, wenn wir einmal
verheiratet sind, nicht ein ähnlicher Genuß bewilligt wird. Ich persönlich
liebe ja das Stadtleben nicht, aber ich glaube, es ist einem von Nutzen, die
Welt hie und da zu durchstreifen, und es ist bestimmt sehr unterhaltsam, die
Sitten und Gebräuche von Menschen zu studieren, deren Lebensart so weit
entfernt von der eigenen ist!»
«Edward, wenn ich dich je dazu
veranlaßt habe, anzunehmen, daß ich dich heiraten werde, tut es mir leid, und
ich sage dir jetzt, daß ich es nie tun werde!» sagte sie ernst.
Sie sah verärgert, daß ihre Worte
keinerlei Eindruck auf ihn machten. Er lächelte immer noch in einer Art, die
sie besonders aufreizend fand, und sagte in einem seiner ziemlich
schwerfälligen Versuche, zu spaßen: «Mir scheint, mir scheint, ich werde doch
tatsächlich ein bißchen schwerhörig! Aber du hast mir noch nicht erzählt,
Venetia, wie dir London gefällt, oder was du hier schon alles gesehen hast! Ich
kann mir vorstellen, wie du gestaunt hast, als du zum ersten Mal seine Größe
entdeckt hast, die Verschiedenartigkeit der Lebensaspekte, die es dem
forschenden Blick bietet, die Parks und Denkmäler, die prächtigen Paläste, die
elenden Hütten der Bedürftigen, den Straßenkehrer in seinen Lumpen und den
Edelmann in Samt und Purpur!»
«Ich habe noch keinen Edelmann in
Samt und Purpur gesehen. Ich glaube, sie tragen so was nur bei
Gala-Ereignissen.»
Aber er lachte nur herzlich und
sagte, wie gut er das doch an ihr kenne, daß sie immer alles wörtlich nehme,
und versprach, ihr einige interessante Stätten zu zeigen, die sie, wie er zu
meinen wagte, vermutlich noch nicht entdeckt habe. Er selbst war schon zweimal
in London gewesen, und obwohl er bei seinem ersten Besuch zu verblüfft und
verwirrt gewesen sei, um mehr als nur mit großen Augen herumschauen zu können
– denn sie müsse wissen, daß er damals nicht älter war als Aubrey jetzt –,
hatte er sich für seinen zweiten Besuch mit einem ausgezeichneten Reisehandbuch
versehen, das ihn nicht nur mit allem vertraut machte, was seiner
Aufmerksamkeit wert war, sondern ihn darüber auch in einem Maße aufgeklärt
hatte, daß er die verschiedenen Gebäude, zu denen er seine Schritte lenkte,
sehr viel mehr zu schätzen lernte. Edward fügte hinzu, er habe dieses
wertvolle Buch mitgebracht und es auf seiner Reise hierher von A bis Z
ausgelesen, um seine Erinnerung aufzufrischen.
Sie konnte über ihn nur staunen. Sie
hatte ja nie einen Schlüssel zum Verständnis seines Wesens besessen, und
welcher Umstand ihn jetzt so ruhig und selbstsicher machte, konnte sie einfach
nicht ergründen. Daß er bis über die Ohren in sie verliebt war, glaubte sie
nicht. Sie konnte nur annehmen, daß er, sowie er einmal beschlossen hatte, sie
sei die Frau, die ihm am besten passen würde, sich entweder zu sehr an den
Gedanken gewöhnt hatte, um ihn leicht fallenzulassen, oder aber, daß die hohe
Meinung, die er von sich hegte, es ihm einfach unmöglich machte, einzusehen,
daß sie seinen
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