Georgette Heyer
dein Leben
wirklich unerträglich wäre!»
Venetia, die zum Fenster gegangen
war und nun wieder zurückkam, sagte: «Es wird schwierig werden. Ja, das sehe ich
jetzt.»
«Nein, nein, liebstes Kind! Nicht im
geringsten schwierig! Ich meinte damit nur ...»
«Das Glück in den Wind schlagen nur
wegen eines Skrupels!» sagte Venetia, ohne sie zu beachten. «Mir scheint das so
albern – wirklich so hohlköpfig ...! Aber genau das hat er getan, und falls er
sich entschlossen hat, idiotisch edelmütig zu sein – ja, es wird sehr schwierig
werden. Ich muß nachdenken!»
Sie vergaß ganz ihre Tante, ging
schnell hinaus und überließ die geplagte Dame Überlegungen, die ebenso
unbehaglich wie konfus waren.
18
Als Mrs. Hendred es etwas später wagte,
ihren Einspruch gegen das Mieten eines Hauses in Hans Town zu erneuern, war sie
zunächst dem Schicksal dankbar, als sie entdeckte, daß Venetia ihren grausigen
Plan fallengelassen hatte, dann aber, als sie darüber nachdachte, spürte sie
eine Beklemmung. Sie konnte es nicht über sich bringen zu glauben, daß auch nur
eine einzige ihrer Vorhaltungen diesen plötzlichen Sinneswandel herbeigeführt
hätte. Und je mehr sie die Sache überlegte, um so weniger gefiel ihr die Bereitwilligkeit ihrer Nichte, auf
einen Plan zu verzichten, auf den sie sich schon regelrecht festgelegt hatte.
Es schien fast, als hätte sie das Haus in Hans Town ganz vergessen, denn als
das Thema flüchtig gestreift wurde, hatte sie einen Augenblick lang große Augen
gemacht und dann gesagt: «Oh – das! Nein, nein, Ma'am, regen Sie sich ja nicht
darüber auf. Ich gebe zu, daß Sie sehr recht haben, und es hätte mir dort auf
die Dauer wirklich nicht gefallen.»
Obwohl Mrs. Hendred allen Grund
hatte, mit dieser Antwort zufrieden zu sein, spürte sie eine vage Unruhe. Es
kam ihr nicht nur vor, daß Venetias Gedanken weit weg waren, sondern daß sie an
einem neuen Plan spann. Ein Versuch, zu entdecken, was er sein mochte, schlug
fehl – Venetia lächelte bloß und schüttelte den Kopf, was es unangenehm
wahrscheinlich machte, daß sich der neue Plan als genauso entsetzlich erweisen
würde wie der alte. Mrs Hendred wünschte allmählich, daß ihr gestrenger Gemahl
nicht ins Berkshire gefahren wäre. Und während einer Nacht, in der sie ungewöhnlich
oft aufwachte, kam sie sogar soweit, zu überlegen, ob es nicht vielleicht
besser wäre, ihm einen Expreßbrief zu schicken. In der Früh erschien ihr dieser
verzweifelte Entschluß ebenso töricht wie unvorsichtig, denn was konnte
Venetia schließlich schon ins Auge fassen, das es rechtfertigen konnte, ihren
Onkel herbeizuholen? Einen solchen Hilferuf würde er ebenso mißbilligen wie
das unvermeidliche Geständnis, daß seine Frau Venetia genau das gesagt hatte,
was diese seiner Meinung nach besser nie erfahren sollte. Er war ins Berkshire
gefahren, um der Vierteljahressession beizuwohnen, worauf er, da er Custos
rotulorum und sehr genau in der Erfüllung seiner Pflichten war, großen Wert
legte, und weshalb er meist eine ganze Woche lang dortblieb. Diesmal jedoch
hatte er seiner Frau gesagt, daß sie ihn vermutlich in vier, höchstens fünf
Tagen wiedersehen würde, da er sich verpflichtet hatte, einer Parteiversammlung
beizuwohnen. In so kurzer Zeit, meinte sie, konnte nichts passieren, ja man
konnte sich schwer vorstellen, wie überhaupt irgend etwas Umwälzendes geschehen
konnte. Für Venetia mochte die Welt momentan vielleicht liebeleer geworden
sein, aber das konnte sie Damerel wohl kaum sagen. Und selbst wenn sie es ihm
sagte – nicht daß Mrs. Hendred annahm, sie würde auch nur im Traum daran
denken, sich derart grob unschicklich zu benehmen, wie unkonventionell auch
immer sie sein mochte –, so wußte Damerel, daß für ein junges Frauenzimmer von
Rang die Welt durchaus nicht untergehen würde. Er hatte Mr. Hendred sein Wort
als Gentleman gegeben, daß er Venetia keinen Heiratsantrag machen würde. Daher
war Mrs. Hendreds Seelenruhe wirklich von keiner Gefahr bedroht, und die bösen
Vorahnungen der Nacht waren möglicherweise der
Gänseleber- und Truthahnpastete zuzuschreiben, deren sie sich beim Souper ein
bißchen zu großzügig bedient hatte. Oder es war vielleicht ein Fehler gewesen,
Pilzschnitten zu essen – Pilze waren ihrer zarten Konstitution nie bekommen,
daher durfte sie nicht vergessen, doch ja dem Künstler, der über ihre Küche
herrschte, ausrichten zu lassen, künftighin Pilze aus seinen leckeren Rezepten
zu
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