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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venetia und der Wuestling
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ihren Wangen aus einem teuren Rougetöpfchen kommen, aber ihre
Gestalt, von einem sehr tief ausgeschnittenen Kleid verführerisch enthüllt –
aus einer so weichen und durchsichtigen Seide, daß es sich ihrer Gestalt wie
Spinnwebe anschmiegte – verdankte der Kunst genauso wenig wie ihre großen
strahlenden Augen, ihre klassisch gerade Nase oder der liebliche Umriß ihres
Gesichts. Diamanten hingen von den Ohrläppchen, blitzten auf ihrem weißen
Busen und an ihren Armen; ein Hermelinmantel lag sorglos über die Lehne ihres
Stuhls geworfen. Sie lehnte etwas vorgeneigt an der Logenbrüstung, den Blick,
wie der ihres Begleiters, auf Venetia gerichtet. Um ihre geschminkten Lippen
lag ein leichtes Lächeln; sie bewegte einen Fächer, der mit Diamantensplittern
besetzt war, langsam auf und ab, aber als Venetia sie mit großen Augen
anstarrte, hob sie die andere Hand in einer winzigen Geste des Grußes.
    Mrs. Hendred, die nach ihrem üppigen
Mahl schläfrig geworden war, hatte friedlich den ersten Akt des Stückes
durchgedöst, hörte nun verschlafen Edwards gemessenem Diskurs zu und wünschte,
daß sich der Vorhang endlich über dem zweiten Akt hebe und ihr damit erlaube,
wieder einzunicken. Edwards Stimme war derart monoton, daß es ihr schwerfiel,
wachzubleiben. Aber sie wurde davor gerettet, wieder einzuschlafen, als
Venetia plötzlich fragte: «Tante, wer ist jene Dame in der Loge dort drüben?»
    In ihrer Stimme lag ein etwas scharfer
Klang, der Mrs. Hen dred genügend erschreckte, um sie aufzumuntern, und die
benebelnde Schläfrigkeit zu vertreiben. Sie richtete sich mit einem kleinen
Ruck ihrer molligen Schultern auf und fragte mit einer etwas belegten Stimme,
aber als sei sie höchst interessiert: «Welche Dame, mein Liebes?»
    «Fast genau gegenüber von uns,
Ma'am! Ich kann nicht auf sie zeigen, weil sie mich beobachtet. Sie tut das
schon seit zehn Minuten, und ich – Tante Hendred, wer ist sie?»
    «Meine Liebe, ich weiß es wirklich nicht,
denn ich habe in keiner Loge jemanden gesehen, den ich kenne. Welche Loge,
sagst du ...» sie hielt den Atem an und stieß dann niedergeschmettert hervor:
«Du guter Gott!»
    Venetia umklammerte fest ihren
gefalteten Fächer und sagte: «Sie kennen sie, nicht wahr, Ma'am?»
    «Nein, nein!» erklärte Mrs. Hendred.
«Heiliger Himmel, nein! Als ob ich irgendein Frauenzimmer kennen würde, das ein
derartiges Kleid trägt! Das unanständigste – liebes Kind, laß dir nicht
anmerken, daß sie dir auffällt! Eine solche Frechheit, dich anzustarren, wie –
pst, meine Liebe, der Vorhang geht auf, und wir dürfen nicht mehr reden!
Heiliger Himmel, wie ich schon neugierig bin, was in diesem Akt passieren
wird! Ein vorzüglicher erster Akt gewesen, nicht? Ich kann mich nicht erinnern,
ein Stück je mehr genossen zu haben! Ah, hier ist ja die komische Figur und
sein Kammerdiener! Wir dürfen nicht plaudern, sonst geht uns das Lustige
verloren, das sie sagen!»
    «Sagen Sie mir bloß, Ma'am ...»
    «Pst!» machte Mrs. Hendred.
    Da dieser einsilbige Befehl von der
Gesellschaft in der Nebenloge unterstützt wurde, in einer sogar noch
drohenderen Art, schwieg Venetia. Mrs. Hendred fächelte sich aufgeregt. Statt
in das Gelächter einzustimmen, das einen der lustigen Aussprüche auf der Bühne
begrüßte, ergriff sie die Gelegenheit, Edward am Ärmel zu zupfen und ihm, als
er sich zu ihr beugte, etwas ins Ohr zu flüstern. Venetia, die ebenfalls nicht
mitgelacht hatte, sondern kerzengerade dasaß, mit einem aus Ungläubigkeit und
Bestürzung gemischten Ausdruck, hörte nicht, was Mrs. Hendred flüsterte. Aber
gleich darauf sagte ihr Edward leise: «Venetia, deine Tante fühlt sich schwach!
Es macht dir doch nichts, wenn wir die Loge verlassen? Es ist hier wirklich
sehr schwül ...! Ich merke es selbst und glaube, daß sich Mrs. Hendred sofort
erholen wird, sobald sie an die Luft kommt!»
    Venetia erhob sich bereitwillig, und
während Edward die leidende Dame hinausführte, warf sie ihren Mantel über die
Schultern, raffte den ihrer Tante auf und
schlüpfte aus der Loge. Draußen bemühten sich zwei Logenwärter, Mrs. Hendred
mit Riechsalz, heftigem Fächeln und Versprengen von Wasser auf ihre Stirn
wieder zu sich zu bringen. Ihre Farbe schien freilich eine Spur zu lebhaft für
eine Dame am Rand einer Ohnmacht, aber als Edward, der sehr ernst dreinblickte,
Venetia mit leiser Stimme sagte, er meine, sie sollten sie heimbringen, sowie
sie sich ein bißchen erholt haben würde, stimmte

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