Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venetia und der Wuestling
Vom Netzwerk:
Unterhaltungen in York mitzunehmen.
Und einmal stimmte er tatsächlich zu, daß ich eine Woche in Harrogate
verbrachte, bei meiner Tante Hendred! Ich hatte wirklich gehofft, er würde auch
zustimmen, daß ich sie in London besuche, damit sie mich auf die übliche Art in
die Gesellschaft einführt. Sie hat sich dazu erbötig gemacht, aber er wollte
es nicht, und ich muß schon sagen, sie dürfte es nicht sehr gewollt haben, denn
gedrängt hat sie ihn nicht mehr.»
    «Arme Venetia!»
    Falls sie bemerkte, daß er ihren
Vornamen benützte, ließ sie es sich nicht anmerken, lächelte nur und sagte:
«Ich gebe zu, ich war damals sehr niedergeschlagen, aber schließlich – wissen
Sie, ich glaube nicht, daß ich überhaupt hätte gehen können, selbst wenn Papa
dazu bereit gewesen wäre, denn Aubrey war immer noch an ein Sofa gefesselt, und
ich hätte ihn nicht allein lassen können.»
    «So sind Sie also nicht weiter als
bis nach Harrogate gekommen! Kein Wunder, daß Sie vom Reisen träumen! Wie
haben Sie eine derart unerträgliche Tyrannei ertragen?»
    «Oh, es war nur dieser eine Punkt,
in dem Papa unnachgiebig war! Im übrigen konnte ich machen, was ich wollte. Ich
war nicht unglücklich – oder haben Sie das geglaubt? Nicht ein bißchen! Ich
langweile mich vielleicht hie und da ein wenig, aber im allgemeinen hatte ich
immer genug, was mich beschäftigte: das Haus führen und mich um Aubrey
kümmern.»
    «Wann starb Ihr Vater? Sicherlich
schon vor einigen Jahren? Warum bleiben Sie dann hier? Ist Gewohnheit so
stark?»
    «Nein, aber die Umstände sind es!
Wissen Sie, mein älterer Bruder gehört dem Stab Lord Hills an, und bis es ihm
paßt, den Dienst zu quittieren, muß sich doch irgendwer um Undershaw kümmern.
Und dann ist doch auch Aubrey da. Ich glaube nicht, daß er zustimmen würde,
fortzugehen, weil das bedeuten würde, daß er nicht mehr mit Mr. Appersett
studieren könnte. Und ihn allein lassen ginge nicht an.»
    «Ich glaube gern, daß er Sie
vermissen würde, aber ...»
    Sie lachte. «Aubrey? O nein! Aubrey
hat Bücher lieber als Menschen. Die Sache ist die, ich fürchte, Nurse würde
ihn wahnsinnig machen, weil sie versuchen würde, ihn in Watte zu packen, etwas,
das er nicht ertragen kann.» Sie runzelte die Stirn. «Ich wünschte nur, daß sie
ihn nicht zu Tode aufregt, solange er hier ist! Ich mußte sie mitbringen, denn hätte ich
es nicht getan, wäre sie zu Fuß hergewandert. Und dann weiß sie ja auch, was zu
tun ist, wenn er leidend ist, und ich konnte ihn nicht ganz Ihnen zur Last lassen.
Vielleicht wird Dr. Bentworth sagen, daß er heimkommen darf.»
    Aber als der Arzt kam – und obwohl
er imstande war, etwaige Ängste, daß Aubrey seine Hüfte ernstlich verletzt hätte
zu beschwichtigen –, sagte er auf die Andeutung Nurses hin, daß Aubrey besser
in seinem eigenen Heim aufgehoben wäre, glatt nein. Je ruhiger man ihn hielte,
sagte Dr. Bentworth, um so schneller würden die gezerrten Sehnen heilen. Dieses
Verdikt akzeptierte Nurse nur zögernd, Aubrey jedoch, dessen Geduld durch die
ärztliche Untersuchung ziemlich schwer geprüft worden war, nahm es mit tiefer
Erleichterung auf.
    Mit einem Takt, der durch Erfahrung
erworben war, hatte Venetia den Doktor nicht ins Krankenzimmer begleitet. Sie
hatte Damerel gebeten, statt ihr mit ihm zu gehen. Er hatte genickt und in
seiner kurz angebundenen Art gesagt: «Ja, ich gehe. Machen Sie sich keine
Sorgen!» Es dauerte einige Minuten, bevor es ihr einfiel, daß sie sich an ihn
wie an einen langjährigen Freund gewandt hatte. Dann dachte sie etwas
verwundert über das ausgedehnte Abendessen nach und wie sie plaudernd sitzen
geblieben waren, lange nachdem Imber den Tisch abgeräumt hatte – Damerel in
seinen geschnitzten Stuhl zurückgelehnt, mit einem Glas Portwein in den langen
Fingern, sie die Ellbogen auf den Tisch gestützt und einen halb gegessenen
Apfel in der Hand; und wie die Dämmerung unbeachtet ins Zimmer geschlichen
war, bis Imber hohe, vielarmige Kerzenleuchter hereinbrachte und sie auf den
Tisch setzte. Sie saßen dann in einem Lichttümpel, während die Schatten an
seinem Rand immer dunkler wurden. Als sie sich zu erinnern versuchte, wovon
sie in dieser gemütlichen Stunde gesprochen hatten, erschien es Venetia, von
allem oder vielleicht auch von nichts – sie wußte es nicht. Sie wußte nur, daß
sie einen Freund gefunden hatte.
    Als ihr der Arzt sagte, er könne ihr
nicht raten, Aubrey von der Priory mit heimzunehmen, schien er

Weitere Kostenlose Bücher