Georgette Heyer
mir
etwas von dem, was Sie getan haben!»
Er schaute schnell von dem Gericht
auf, das er ihr servierte, und seine Augen wurden hart. Sie begegnete diesem
prüfenden Starren mit einem leichten fragenden Heben der Brauen und sah, daß
sich seine Lippen zu dem höhnischen Lächeln verzogen, das sie an den Corsair erinnert hatte. «Lieber nicht», sagte er trocken.
«Ich habe gesagt, nur etwas von dem,
was Sie getan haben!» rief sie empört aus. «Sie können doch nicht Ihr ganzes
Leben damit verbracht haben, in idiotische Klemmen geraten zu sein!»
Der häßliche Blick verschwand, als
er in Gelächter ausbrach.
«Den größten Teil meines Lebens,
versichere ich Ihnen! Was wünschen Sie zu wissen?»
«Ich möchte gern alles von den Orten
erfahren, wo Sie waren. Sie sind sehr viel gereist, nicht?»
«O ja!»
«Darum beneide ich Sie. Das ist
etwas, wonach ich mich immer sehnte. Ich fürchte, das werde ich nie, weil
alleinstehende Frauenzimmer so gräßlich eingeschränkt sind, aber ich schwelge
immer noch im Plänemachen für Reisen zu all den fremden Orten, über die ich
nur gelesen habe.»
«Nein, nein, tun Sie das nicht!» bat
er. «Solche Träume, glauben Sie mir, sind die Saat, aus denen die Exzentriker
entspringen! Sie würden wie dieses schäbige Stanhope-Weib werden, das sich zur
Königin von Horden übelriechender Beduinen aufschwingt!»
«Ich versichere Ihnen, das würde ich
nicht. Es klingt sehr unangenehm – und ebenso langweilig wie das Leben, das
ich kenne! Sie spielen dabei, nehme ich an, auf Lady Hester an – sind Sie ihr
je begegnet?»
«Ja, in Palmyra, im Jahr – oh, ich
habe es vergessen! – 13? 14? Es ist belanglos.»
«Haben Sie Griechenland besucht, und
auch die Levante?» unterbrach sie ihn.
«Ja. Warum? Kann es sein, daß Sie
Klassik studiert haben?»
«Nein, ich nicht, aber Aubrey. Bitte, erzählen Sie ihm
doch von dem, was Sie in Athen gesehen haben
müssen! Er hat nur Mr. Appersett, mit dem er über das reden kann, was ihm am
liebsten ist, und obwohl Mr. Appersett – der Vikar, wissen Sie! – ein großer
Gelehrter ist, hat er es doch nicht richtig gesehen, mit eigenen Augen, wie
Sie!»
«Ich werde Aubrey alles erzählen,
was er nur wissen will – falls Sie mir, geheimnisvolle Miss Lanyon, erzählen
werden, was ich von Ihnen wissen will!»
«Nun ja», antwortete sie freundlich.
«Obwohl mir rätselhaft ist, was ich Ihnen da erzählen soll, oder warum Sie mich
geheimnisvoll nennen!»
«Ich nenne Sie geheimnisvoll, weil ...»,
er machte eine Pause, amüsiert von dem Blick unschuldiger Erwartung in ihren
Augen, «– oh, weil Sie fünfundzwanzig sind, unverheiratet und, soweit ich
entdecken kann, unbegehrt!»
«Im Gegenteil!» gab Venetia zurück
und ging auf den Scherz ein. «Ich habe sogar zwei Freier! Der eine ist äußerst
romantisch, und der andere ist ...»
«Nun?»
drängte er, als sie zögerte.
«Würdig!» platzte sie heraus und
brach in fröhliches Gelächter aus, als er den Kopf in die Hände fallen ließ.
«Und dabei
sind Sie eine unvergleichliche Schönheit!»
«Nein, wirklich? In Wahrheit ist da
überhaupt kein Geheimnis dran – mein Vater war ein Einsiedler.»
«Das klingt
wie ein non sequitur.»
«Nein, das
ist gerade der Kern der Sache.»
«Aber, guter Gott, hat er Sie
genauso eingesperrt gehalten wie sich selbst?»
«Nicht ganz, obwohl ich oft den
Verdacht hatte, daß er es am liebsten getan hätte. Sehen Sie, meine Mutter
starb. Ich nehme an, er muß sie
geradezu verzweifelt geliebt haben, denn er verfiel in die bedauerlichste Lethargie und
wurde genau wie Heinrich der Erste – < niemals wieder lächelte er > ! Ich
kann nicht sagen, wie das war, weil er nie erlaubte, ihren
Namen zu erwähnen. Außerdem war ich damals erst zehn Jahre alt
und kannte beide Eltern überhaupt nicht. Ja, ich kann mich kaum erinnern, wie
sie aussah, sicher weiß ich nur, daß sie hübsch
war und wunderschöne Kleider trug. Jedenfalls wurde Papa durch ihren Tod
äußerst schwermütig, und bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr habe ich, glaube
ich, nie ein Wort mit jemandem außerhalb unseres eigenen Haushalts gewechselt.»
«Guter Gott! War er verrückt?»
«O nein! Bloß grillenhaft!»
antwortete sie. «Ich habe nie an ihm erlebt, daß er sich um die Behaglichkeit
jemandes anderen als seine eigene gekümmert hätte, aber ich stelle mir vor, das
ist bei exzentrischen Menschen so. Als ich heranwuchs, erlaubte er Lady Denny
und Mrs. Yardley, mich hie und da zu den
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