Georgette Heyer
sowohl
überrascht wie erleichtert zu sein, daß sie sein Verdikt so ruhig aufnahm. Der
Beiklang einer Entschuldigung in seiner Stimme verblüffte sie zuerst, aber
nachdem sie das überdacht hatte, sah sie, was er gemeint haben mußte, als er
von Verlegenheit und einer peinlichen Situation gesprochen hatte. Als Damerel
in das Zimmer zurückkam, nachdem er den Arzt zu seinem Wagen hinausbegleitet
hatte, schaute sie ziemlich ängstlich zu ihm auf und sagte etwas mühsam: «Ich
fürch te – ich hatte nicht bedacht – wird es Sie sehr stören, Aubrey
hierzubehalten, bis es ihm besser geht?»
«Nicht ein bißchen!» antwortete er
munter und beruhigend. «Was hat Ihnen denn solch eine verrückte Idee in den
Kopf gesetzt?»
«Nun, weil Dr. Bentworth sagte, wie
leid es ihm täte, daß er mich in eine peinliche Situation bringen müsse»,
enthüllte sie ihm. «Er meinte natürlich, daß es ziemlich ungehörig ist, Ihnen
den armen Aubrey aufzuhalsen, und er hat auch vollkommen recht! Ich kann mir
nicht denken, wieso es mir nicht früher eingefallen ist, aber ich muß sagen ...»
«Er meinte nichts dergleichen»,
unterbrach sie Damerel brutal. «Seine Besorgnis gilt nicht mir, sondern Ihnen.
Er war sich der Unschicklichkeit bewußt, Sie zur Bekanntschaft mit einem Mann
zügelloser Neigungen zwingen zu müssen. Die Moral und die Medizin kämpften
miteinander in seiner Brust, und die Medizin trug den Sieg davon – aber ich bin
überzeugt, die Moral wird ihm eine schlaflose Nacht bereiten!»
«Weiter nichts?» rief sie aus, und
ihre Stirn erhellte sich wieder.
«Das ist alles», antwortete er
ernst. «Falls er natürlich nicht fürchtet, daß ich Aubrey verderben könnte.
Ansteckung, wissen Sie!»
«Ich glaube nicht, daß Sie das
könnten», sagte sie, die Sache leidenschaftslos erwägend. Sie sah, daß seine
Lippen zitterten, und ihr eigener Ernst schwand. «Oh, ich will damit nicht
sagen, daß Sie das überhaupt versuchen würden! Sie wissen sehr gut, daß ich das
nicht meine! Die Sache ist nur so – selbst wenn Sie hier eine Orgie abhielten,
würde er das sehr wahrscheinlich nur für sehr zahm halten, verglichen mit den
Römern, nicht zu erwähnen die Bacchantinnen, die, soviel ich entdecken kann,
genau die Art Frauenzimmer waren, von denen man wünschen möchte, daß ein Junge
lieber nichts von ihnen wüßte!»
Diese Ansicht der Dinge war fast
zuviel für seine Selbstbeherrschung; es dauerte eine Weile, bevor er seine
Stimme genügend in der Gewalt hatte, um sagen zu können: «Ich verspreche Ihnen,
ich werde hier keine Orgien abhalten, solange Aubrey unter meinem Dach ist.!»
«O nein, ich weiß, daß Sie das nicht
würden! Obwohl ich sagen muß», fügte sie hinzu, und ihre Augen glitzerten
lustig, «es wäre der Mühe wert – nur uni Nurses Gesicht zu sehen!»
Darüber lachte er schallend heraus,
warf den Kopf in herzhafter Erheiterung zurück und keuchte: «Warum, oh, warum
nur habe ich Sie erst jetzt kennengelernt?»
«Es ist anscheinend wirklich ein
Jammer», stimmte sie ihm zu. «Ich habe mir das selbst gedacht, denn ich habe
mir immer einen Freund gewünscht, mit dem zusammen ich lachen könnte.»
«Um mit ihm zu lachen!» wiederholte
er langsam.
«Vielleicht haben Sie schon Freunde,
die mit Ihnen lachen», sagte sie schüchtern. «Ich nicht, und es ist wichtig,
glaube ich – wichtiger als Mitleid bei Kummer, das man sogar leicht bei jemandem
finden kann, den man entschieden nicht mag.»
«Aber einen Sinn für das Lächerliche
mit jemandem zu teilen, läßt keine Abneigung zu – ja, das ist wahr! Und selten.
Mein Gott, wie selten! Starren sie Sie sehr an, unsere würdigen Nachbarn, wenn
Sie lachen?»
«Ja! Oder sie fragen mich, was ich
eigentlich damit meine, wenn ich einen Spaß mache!» Sie schaute auf die Uhr
über dem leeren Kamin. «Ich muß gehen.»
«Ja, Sie müssen gehen. Ich habe
schon Post in die Ställe geschickt. Es ist noch licht genug für Ihren
Kutscher, daß er den Weg erkennt,
aber in einer Stunde oder sogar noch früher wird es dunkel.» Er nahm ihre Hände, legte
Handfläche an Handfläche und hielt sie so zwischen den seinen. «Sie werden
morgen wiederkommen – um Aubrey zu besuchen! Lassen
Sie sich nicht von ihnen davon abreden, von unseren würdigen
Nachbarn! Außerhalb meiner Parktore verspreche ich Ihnen nichts – trauen Sie
mir nicht! Innerhalb jedoch ...» Er schwieg,
und sein Lächeln verzerrte sich zu etwas, das nicht ganz ein Hohnlächeln, aber
dennoch verächtlich
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