Georgette Heyer
Gesellschaften zu bewirten. Es waren angenehme Träume – aber nur Träume.
Er hatte nie erwartet, daß sie wahr würden. Es war äußerst unwahrscheinlich,
daß Venetia in einem brennenden Haus gefangen sein würde, und noch
unwahrscheinlicher, daß in einer solchen Zwangslage gerade er bei der Hand sein
würde, um sie zu retten. Sie war eine vollendete Reiterin, und das plötzliche
Eindringen eines brutalen Schänders in die friedliche und gesetzestreue
Nachbarschaft schien selbst im Traum denn doch zu weit hergeholt zu sein.
Und dennoch war genau das geschehen.
Denn Damerel, obwohl er nicht genau dem Traumgeschöpf entsprach, war sicherlich
ein Schänder der Frauenehre. Aber statt Schutz vor seinen hassenswerten
Annäherungen zu suchen, ermutigte sie Venetia ausgesprochen, äußerst getäuscht
von der Maske, die er trug. Wie die Statue, war auch sie lebendig geworden,
aber nicht durch eine Göttin, nicht einmal durch ihren heldenmütigen jungen
Verehrer, sondern durch ihren zukünftigen Verführer.
Als er beobachtete, wie sich beider
Augen trafen, und Damerel ihrem leichten, launigen Geplauder zuhörte, machte
eine kaum bewußt erkannte Wesensverwandtschaft zwischen ihnen Oswald derart krank
vor Haß auf Damerel, daß er es nicht über sich bringen konnte, auf irgendeinen
der Versuche einzugehen, die sie machten, um ihn ins Gespräch zu ziehen,
sondern er antwortete in einer Art, die selbst seinen eigenen Ohren tölpelhaft
klang, und verabschiedete sich bald und unvermittelt von seiner Gastgeberin.
Dieser Haß, viel intensiver als die Abneigung, die er Edward Yardley gegenüber
fühlte, oder als die Eifersucht, mit der er jeden anderen Rivalen betrachtet
hätte, entsprang der ihm unbewußten Erkenntnis, daß Damerel gerade jene
romantische Erscheinung war, die er selbst sehnlichst sein wollte. Damerel war
der unbekümmerte Geächtete, der in der Welt umherschweifte, mit dunklen
Geheimnissen in seiner Brust und unaussprechlichen Verbrechen in seiner
Vergangenheit. Und wäre nicht Venetia gewesen, so hätte Oswald fast sicher die
Art seiner Kleidung kopiert, seine unkonventionellen Manieren, und hätte sein
möglichstes getan, dieses Air nachlässiger Sicherheit zu erwerben. Dies alles
waren Dinge, die ein Jüngling bewunderte, der sich an den Einschränkungen eines
verfeinerten Zeitalters wundscheuerte – aber als er in einem Rivalen auf sie
traf, haßte er sie bitterlich, weil er wußte, daß er selbst im Nachteil war, und er nur die Rolle
des Corsair vor dem wahren Corsair spielte.
Hätte Sir John das Privileg gehabt,
zu wissen, welche Gefühle in der Brust seines Sohnes tobten, hätte er seinen
Entschluß bereut, daß er ihn nicht nach Oxford oder Cambridge geschickt hatte.
Aber er war zu sehr an Oswalds Launenhaftigkeit gewöhnt, um irgendeine
Bedeutung dem zuzuschreiben, was er für einen mürrischen Anfall hielt, der aus
der Verliebtheit des Jungen in Venetia stammte. Er hoffte nur, daß diese Phase
ebenso kurzlebig sein würde, wie sie heftig war, und kümmerte sich nicht mehr
darum, als daß er Oswald empfahl, sich nicht lächerlich zu machen. Lady Denny
würde mehr Mitgefühl gezeigt haben, hätte sie die Muße gehabt, ihn zu
beobachten, aber Edward Yardley, der – wie sie sagte – sich nicht damit
zufriedengegeben hatte, sich selbst die Windpocken zuzuziehen, hatte sie Anne
weitergegeben, der Jüngsten in der Familie Denny, die er mit ihrer übrigen
Schulzimmergesellschaft gerade an dem Tag getroffen hatte, an dem er
bettlägerig wurde. Er war so nett gewesen, ihr einen Gefallen zu tun und sie
auf seinem Pferd reiten zu lassen, denn er hatte Kinder sehr gern, und das
mußte das Unheil angerichtet haben. Anne gab die Windpocken unverzüglich ihrer
nächsten Schwester Louisa und dem Kindermädchen weiter. Lady Denny lebte stündlich
in der Erwartung, daß sie auch bei Elizabeth einen Ausschlag ausbrechen sehen
würde, und hatte daher keine Augen für die seelischen Übel ihres einzigen Sohnes.
Da er keinen besonderen Freund in
der Umgebung hatte und über die Gesellschaft seiner Schwestern erhaben war,
hatte Oswald wenig mehr, was ihn beschäftigen konnte, als über die katastrophale
Wirkung des andauernden Aufenthaltes von Damerel in der Priory zu brüten. Und
es dauerte nicht lange, bis er sich eingeredet hatte, daß er vor dem Auftauchen
Damerels ein schönes Stück damit vorangekommen sei, Venetia zu gewinnen. Er
erinnerte sich an jedes Beispiel ihrer seinerzeitigen Freundlichkeit, und indem
er
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