Georgette Heyer
verstören lassen. Sowie Aubrey nach Undershaw zurückkehrte, würde Seine
Lordschaft zweifellos die Priory verlassen und zumindest ein Jahr lang nicht
mehr im Yorkshire gesehen werden.
Zwei Tage später kam in einem kurzen
Brief von Venetia an Lady Denny die willkommene Nachricht, daß Aubrey wieder daheim
war. Und als hätte sich die Vorsehung plötzlich entschlossen, den jungen Mr.
Denny mit Gunst zu überschütten, folgte dem fast unverzüglich die Neuigkeit,
daß Edward Yardley, der sich einige Tage lang gar nicht gut gefühlt hatte, mit
Windpocken zu Bett lag. Oswald, der seinen Weg frei von Rivalen sah, ritt nach
Undershaw hinüber, um seine Chance zu nützen, und kam dort an, nur um zu
entdecken, daß Venetia im Staudengarten mit Damerel spazierenging.
Das war ein schwerer Schlag. Noch
schlimmer aber war die Entdeckung, daß Damerel keine unmittelbare Absicht
hegte, die Priory zu verlassen. Der offizielle Grund, seinen Aufenthalt zu
verlängern, mochte sein, wie sein Gutsverwalter hoffte, einige der schweren
Schäden, die die jahrelange Vernachlässigung seinen Ländereien zugefügt hatte,
in Ordnung zu bringen – aber sein wirklicher Zweck war unverschämt deutlich:
Venetia war seine Beute, und er jagte sie erbarmungslos, ausschließlich auf
nichts anderes aus, wie Oswald überzeugt war, als auf die Befriedigung seiner
vorübergehenden Lust. Die Berichte über ihn schrieben ihm hunderte liebliche Opfer zu, und Oswald sah
keinen Grund, deren Wahrheit anzuzweifeln, noch in Frage zu ziehen, daß nicht
die geringsten Gewissensbisse oder die mindeste Achtung vor der öffentlichen
Meinung ihn aufhalten würden, seiner Begierde zu folgen. Ein Mann, dessen
Laufbahn mit der Entführung einer verheirateten Dame von Rang begonnen hatte
und den Verkehr mit solchen Dirnen einschloß, wie sie die Priory erst vor
einem Jahr in ein Bordell verwandelt hatten, war fähig, jede Infamie zu
begehen, und Damerel hatte schon vor Jahren gezeigt, wie wenig er sich um die
öffentliche Meinung kümmerte. Wenn seine vergangenen Handlungen ihn nicht
verraten hätten, so genügte ein einziger Blick auf ihn, meinte Oswald, jeden
anderen als einen solchen Klotz wie Edward Yardley zu überzeugen, daß er ein
rücksichtsloser Freibeuter war, der nicht zögern würde, falls er Venetia in
seine Netze bekommen konnte, sie in die Fremde zu entführen, genauso wie er
seine erste Mätresse entführt hatte, und später, wenn ihre Süße seinem
ermatteten Gaumen nicht mehr behagte, sie zu verlassen. Er hatte sie schon mehr
als halb behext, wie jene, die gemütlich von ihrer ruhigen Vernunft sprachen,
sicherlich hätten erkennen müssen, hätten sie nur ihren Blick sehen können,
wenn sie ihre Augen zu ihm erhob. Sosehr diese Augen auch immer lächelten, so
zärtlich wie jetzt hatten sie noch nie gelächelt. Einen verstörten Augenblick
lang hatte Oswald das Gefühl, daß sie plötzlich eine ganz andere geworden war,
und er erinnerte sich an irgendeine Geschichte, wahrscheinlich eine von
Aubreys Geschichten, über eine Statue, die durch irgendeine Göttin zum Leben
erweckt worden war. Nicht, daß Venetia je wie eine Statue gewesen wäre, aber in
all ihrer Lebhaftigkeit war sie kühl und vernünftig gewesen, liebevoll, aber
nie blind in ihrer Liebe, selbst in bezug auf Aubrey nicht, den sie liebte,
sich aber über ihn amüsierte, und die niemandem außer Aubrey mehr als
Freundlichkeit erwies. Diese Gelassenheit gefiel Edward Yardley, weil er
glaubte, sie sei ein Zeichen von Bescheidenheit und guter Erziehung: sie hatte
auch Oswald gefallen, aber aus einem ganz anderen Grund – es verwandelte sie
von der hübschesten Dame im Distrikt in eine Märchenprinzessin, deren Hand nur
durch den tapfersten und edelsten und schönsten ihrer vielen Freier errungen
werden konnte. In seinen romantischen Stimmungen hatte sich Oswald häufig in
dieser Rolle gesehen, wie er entweder durch Geist und Charme Liebe in ihr erweckte,
oder sie – während Edward Yardley danebenstand und es nicht wagte, sein Leben
bei dem Versuch zu riskieren – aus brennenden Häusern, von durchgegangenen
Pferden oder vor brutalen Schändern rettete. In diesen Träumen hatte sie sich sofort
leidenschaftlich in ihn verliebt. Edward
schlich beschämt und aus der Fassung gebracht davon, und alle, die früher den
jungen Mr. Denny behandelten, als sei er ein Schuljunge, sahen nachher mit Ehrfurcht
zu ihm auf, sprachen mit Respekt von ihm und hielten es für eine Ehre, ihn bei
ihren
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