Georgette Heyer
für einen Tag sind Sie schon genug gequält
worden. Sie nehmen Sie mit, Miss Venetia, aber nicht zu weit, wohlgemerkt!»
«Tue ich, und gern außerdem», sagte
Venetia und stand auf. «Würde es dir Spaß machen, Charlotte?»
«Ja, bitte
– nur, wird es nicht zu feucht sein? Mama sagte ...»
«Also was habe ich Ihnen gesagt,
Mylady?» sagte Nurse. «Daß Sie sich absolut nicht verzärteln sollen. Davon
halte ich gar nichts, und habe nie was davon gehalten, und das werde ich auch
Ihrer Mama sagen.»
«O Nurse, bitte ...!» hauchte
Charlotte flehentlich.
«Zerbrechen Sie sich darüber nicht
Ihr hübsches Köpfchen!» riet ihr Nurse mit einem grimmigen kleinen Lachen.
«Los, jetzt gehen Sie mit Miss Venetia, und Schluß mit dem Unsinn!»
«Ich will die Hunde holen – sie
brauchen Auslauf», sagte Venetia, ohne zu merken, daß sie Charlotte einen
Schrecken einjagte.
«Das können Sie nicht, Miss, weil
sie nämlich Master Aubrey mitgenommen hat», sagte Nurse zu Charlottes großer
Erleichterung. «Ja, Sie können gut Augen machen! Weggeritten ist er, und nicht
ein bißchen hat er auf mich gehört, außer daß er sagte, wenn er nicht versucht,
ob es ihm weh tut, kommt er nie drauf. Das nächste wird sein, daß wir ihn
traurigerweise wieder im Bett haben, denn < jener, der ein trutzig Herz hat,
findet keine Güte > , Miss Venetia, wie ich ihm immer wieder gesagt habe!»
«Wenn Nurse in die biblische Tour
gerät, ist das ein Zeichen, daß sie sehr bewegt ist!» sagte Venetia, als sie
mit Charlotte den Rasen überquerte. «Aubrey hatte vor ein paar Wochen einen Unfall,
und wir fürchten, daß sein schwaches Bein noch nicht zum Reiten taugt. Aber ich
hoffe, daß er nicht darauf besteht, wenn er merkt, daß es ihm weh tut, und auf
jeden Fall nützt es nichts, wenn man versucht, ihn zu verhätscheln – weißt du,
er hat es nicht gern, wenn man sein Lahmsein erwähnt.»
Sie führte Charlotte in den Park und
plauderte über Banalitäten, wie sie, so hoffte sie, dem Mädchen die
Schüchternheit nehmen konnten. Charlotte hatte sie schon gefragt, ob sie sehr
«auf Bücher versessen» sei, und Venetia hatte schon erfaßt, daß diese Redewendung
für Charlotte alles höchst Bestürzende bedeutete. Als Venetia eine Anekdote aus
ihrer Kindheit erzählte, mußte sie unwillkürlich denken, nach dieser Plauderei
würde Charlotte wohl wenig Grund haben, sie für sehr klug zu halten.
Charlotte schien den Spaziergang zu
genießen, aber da sie es vorzog, nur bummelnd vorwärtszukommen, und nichts als
einige ziemlich abgedroschene Bemerkungen über die Landschaft, eine Beschreibung
ihres Hochzeitskleides und mehrere uninteressante Geschichten über eine Schulfreundin
zum Gespräch beitrug, langweilte sich Venetia bald von Herzen. Sie wollte eben
vorschlagen, es sei vielleicht Zeit, zurückzukehren, als das Geräusch
galoppierender Pferde sie veranlaßte, sich umzudrehen und über den Rasen zur
Allee hinüberzuschauen. Die Reiter waren Aubrey und Damerel. Venetia winkte
ihnen sofort zu und sagte zu Charlotte: «Sollen wir ihnen entgegengehen? Der
Herr in Begleitung Aubreys ist Lord Damerel, unser nächster Nachbar. Ich nehme
an, Aubrey hat ihn mitgebracht, damit er dir seine Aufwartung macht.»
Charlotte stimmte zu, aber in einer
furchtsamen Stimme, die Venetia ihrer Schüchternheit zuschrieb, und es daher
für das beste hielt, sie zu ignorieren. Charlotte dachte jedoch nicht an den
Fremden, den sie kennenlernen sollte – sie hoffte sehr, daß die gräßlichen
Hunde, die hinter den Pferden einhersprangen, nicht bissig waren. Die Pferde
wurden angehalten; Damerel zog den Zügel über Crusaders Kopf und legte ihn
Aubrey in die Hand. Zum Entsetzen der armen Charlotte kamen drei der
schrecklichen Hunde auf sie zugerast. Sie schreckte instinktiv zurück, war aber
erleichtert, als sie entdeckte, daß die Spaniels nicht daran dachten, sie zu
beißen, und sie überhaupt nicht beachteten, sondern mit einem so überströmendem
Entzücken um Venetia herumkläfften, als hätten sie sie wochenlang nicht mehr
gesehen. Ein Pfiff Aubreys, sie rasten wieder davon, und Charlotte war froh,
als sie sah, daß er zu den Ställen weiterritt und die Hunde mitnahm.
Damerel, der mit seinem legeren Schritt
auf die Damen zukam, blickte einen Moment lang bedeutungsvoll in Venetias
Augen, bevor er sich schnell abschätzend dem Gesicht der jungen Frau zuwandte.
Diese stumme Verständigung einer Sekundenlänge war fast zuviel für Venetias
Fassung; ihre Stimme
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