Georgette Heyer
schwankte ganz leicht, als sie ihn begrüßte. «Guten
Morgen! Mein gräßlicher kleiner Bruder ist mir also zuvorgekommen und hat
Ihnen unsere aufregende Neuigkeit schon mitgeteilt. Mir bleibt also nur mehr
übrig, Sie meiner Schwägerin vorzustellen. Zwar ist dies eine sehr angenehme
Aufgabe, aber ich hatte gehofft, daß ich selbst Sie hätte überraschen können!
Das ist Lord Damerel, Charlotte – unser guter Freund und Nachbar.»
Als Charlotte Damerel die Hand
reichte und ein paar konventionelle Phrasen mit ihm wechselte, sah Venetia mit
Genugtuung, daß Charlotte nicht schüchterner war als es sich ziemte, so nervös
und schweigsam sie sonst war, wenn sie versuchte, mit ihrem jungen Schwager
und ihrer Schwägerin zu plaudern. Venetia hatte bereits gefürchtet, sie würde
auf die nachbarlichen Edelleute einen schlechten Eindruck machen. Venetia
selbst war der äußere Anstrich ziemlich gleichgültig, und sie wußte wenig von
der Welt, war aber intelligent genug zu erraten, daß die Heimlichkeit, in die
Conway seine Heirat leider gehüllt hatte, die Creme des North Riding mit
reicher Nahrung für Klatsch und Vermutungen versorgte, und sie hielt es für
höchst wichtig, daß Charlotte niemandem Grund gäbe, zu sagen, hinter ihrem
ungewöhnlichen Unbehagen müsse offenkundig irgend etwas Diskreditierendes an
dieser geheimnisvollen und seltsamen Heirat stecken. Aber Charlottes
gesellschaftliches Benehmen war tadellos. Sie mochte schüchtern sein, sie mochte
nichts als Gemeinplätze von sich geben, aber Venetia neigte sehr zu der
Meinung, daß selbst derart scharfäugige Kritikerinnen wie Lady Denny von ihr
sagen würden, sie benähme sich sehr nett.
Sie gingen zum Haus zurück, Damerel
zwischen ihnen, und es dauerte nicht lange, bis Charlotte glücklich über Paris
und Cambray dahinplauderte, über Sonntagsfahrten nach Longchamps, über
Gesellschaften im Hauptquartier Lord Hills, wie freundlich Lord Hill gewesen
war und was er, ach, so liebenswürdig über sie zu Conway gesagt hatte. Venetia,
die zuerst über dieses plötzliche Aufblühen staunte, erkannte sehr schnell, daß
dies nicht auf irgendeine Neigung zu Koketterie an Charlotte zurückzuführen
war, sondern auf deren geschickte Behandlung durch einen Fachmann. Sie konnte
nur staunen, bewundern und gleichzeitig amüsiert und betrübt sein. Sie hatte
sich so sehr bemüht, Charlotte aus sich herauszulocken, und hatte damit so
wenig Erfolg gehabt. Damerel aber hatte es, keine fünf Minuten, nachdem er sie
kennengelernt hatte, zustande gebracht, und anscheinend mühelos. Er brachte Charlotte
sogar zum Lachen, denn als sie über die Wonnen des Einkaufens in Paris sprach
und er sagte: «Und für Hüte erstklassiger Eleganz: Phanie!» war Charlotte so
überrascht, daß sie in fröhliches Gelächter ausbrach. «Ja! Woher wissen Sie
das?» fragte sie und schaute unschuldig zu ihm auf.
Venetia verschluckte sich fast und
sah, wie ein Muskel in Damerels Mundwinkel zuckte. Aber er sagte ernst: «Ich
glaube, ich muß den Namen von irgendeiner Dame meiner Bekanntschaft gehört
haben.»
«Ja, ihre Hüte sind ganz hinreißend,
aber ganz schrecklich teuer!»
«Das sind sie wirklich – falls es stimmt, was man
mir erzählt hat!»
«O ja, denn mein Mann hat mir einen
dort gekauft, und als ich den Preis hörte, fiel ich fast in Ohnmacht und mußte
wirklich mißbilligend den Kopf über ihn schütteln. Aber er kaufte ihn trotzdem,
und ich trug ihn bei dem Frühstück, das für den Herzog von Wellington gegeben
wurde, als er ins Hauptquartier kam.»
So lief das Gespräch harmlos weiter,
bis sie in Sicht des Hauses kamen. Als sie sich dem Torbogen näherten, durch
den Venetia Charlotte in den Park geführt hatte, schloß sich ihnen Aubrey an,
und es war Schluß mit Charlottes Vertraulichkeit. Sie war vor Aubrey geradezu
albern nervös, sein Hinken schien sie verlegen zu machen, und sie schaute immer
weg, wenn er sich bewegte, in einer zu betonten Art, als daß es seiner
Aufmerksamkeit entgangen wäre, wie Venetia wußte. Als er auf sie zukam, zog er
sein Bein stärker als gewöhnlich nach, was den Schluß zuließ, daß sein
Versuchsritt verfrüht gewesen war.
Er nickte Charlotte zu und sagte:
«Puxton ist gerade mit Ihrer Zofe aus York angekommen. Nein, das habe ich
falsch gesagt – mit Ihrer Kammerfrau! Du hättest William Coachman mit seiner
Kutsche hinschicken sollen, Venetia – sie ist es nicht gewöhnt, von einem
Stalljungen in Gigs gefahren zu werden.»
Das versetzte
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