Georgette Heyer
Charlotte in
Aufregung, und nachdem sie Venetia unzusammenhängend versichert hatte, daß Mama
zwar Miss Trossen in London engagiert hatte, aber sie die erste sein würde,
eine solche Anmaßung zu unterdrücken, entschuldigte sie sich und eilte ins
Haus.
«Ist das nicht geradezu lächerlich!»
rief Venetia aus. «Was kann sich nur Mrs. Scorrier dabei vorgestellt haben, daß
Charlotte in Undershaw eine Kammerfrau brauchen würde?» Sie schaute mit einem
spitzbübischen Gesicht zu Damerel auf. «Was aber Sie betrifft, mein Herr, mit
Ihren Putzmacherinnen, deren Preise – wie Sie gehört haben wollen – derart
erpresserisch hoch sind – wie konnten Sie nur die Keckheit haben ...!»
«Oder Sie die Ungehörigkeit, Ma'am,
sich zu verraten, daß Sie die Umstände verstanden haben, durch die ich mit
Mlle. Phanie bekannt geworden bin ...!» gab er zurück.
Sie lachte, sagte aber: «Ja
natürlich, ich hätte so tun sollen, als wüßte ich nichts – und das hätte ich
auch, wenn es jemand anderer als Sie gewesen wäre. Wie geschickt es Ihnen
übrigens gelungen ist, meiner Schwägerin die Schüchternheit zu nehmen!»
«Aber natürlich!» murmelte er
aufreizend.
«Was hältst du von ihr?» unterbrach
ihn Aubrey.
«Oh, dein Pope-Zitat trifft den
Nagel auf den Kopf! Todlangweilig, aber ohne Arglist noch Bosheit – die wird
euren Frieden nicht stören.»
«Nein. Auch glaube ich nicht», sagte
Venetia nachdenklich, «daß Conway gezwungen war, sie zu heiraten, obwohl ich es
zunächst vermutet habe, als ich hörte, daß sie ein Kind bekommt.»
«Ja, ich auch», bemerkte Aubrey.
«Aber Nurse sagt, sie erwartet die Entbindung für Mai, also kann
das nicht stimmen. Nichts Verdächtiges daran.»
«Na, sag das nur nicht so, als wäre
es dir lieber, es wäre verdächtig gewesen!» sagte Damerel sehr amüsiert.
«Werde ich das Privileg haben, die Mama kennenzulernen, oder wäre das unklug?»
«Ich glaube schon, falls Sie ihr ein
Begriff sein sollten», antwortete Venetia, die Angelegenheit ernsthaft
erwägend.
«Gehen wir in die Bibliothek. Obwohl
es sein kann, daß sie nichts weiß, denn wenn sie auch nicht gerade vulgär ist ...»
«Sie ist äußerst vulgär», warf
Aubrey ein.
«Oh, sie hat eine sehr vulgäre
Gesinnung», stimmte ihm Venetia zu. «Ich meine nur, daß sie nicht schlecht
erzogen ist, wie etwa die arme Mrs. Huntspill, oder jenes fremde Frauenzimmer,
das ich kennenlernte, als ich mit Tante Hendred in Harrogate war, und das die
ganze Zeit von Herzoginnen redete, als wären sie alle ihre engsten Freundinnen
gewesen, was überhaupt nicht stimmte, wie mir die Tante versicherte. In dieser
Art prahlt Mrs. Scorrier nicht. Zwar ist sie nicht aufrichtig und ist ganz
abscheulich anmaßend, aber ihre Manieren widern einen nicht an. Nur glaube ich
nicht, daß sie zur Creme der Gesellschaft gehört.»
«Wenn sie diejenige ist, die ich
vermute, dann ist sie die Tochter irgendeines kleinen Landedelmannes», sagte
Damerel und folgte Venetia in die Bibliothek. «Nach allem, was Aubrey mir
erzählt, dürfte Ihre Schwägerin die Tochter Ned Scorriers sein – in welchem
Fall Sie sich der Heirat Ihres Bruders nicht zu schämen brauchen. Die
Scorriers sind ziemlich gut – nicht höchste Kreise, aber gute Familie, typisch
Staffordshire. Ned Scorrier war einer der jüngeren Söhne und mit mir zugleich
in Eton, wenn auch ein paar Jahrgänge höher. Ich weiß nur, daß er Offizier
wurde und keine gute Partie machte – er heiratete schon mit zwanzig –, aber was
später aus ihm wurde, weiß ich nicht.»
«Er ist in Spanien an Fieber
gestorben», sagte Venetia. «Ich nehme an, das muß er gewesen sein, denn Mrs.
Scorrier machte tatsächlich eine Bemerkung, daß die Familie ihres Mannes im
Staffordshire lebt. Sie hat sich mit ihnen zerstritten.» Sie runzelte die
Stirn. «Zumindest habe ich das dem entnommen, was mir Charlotte erzählte, aber
es dürfte idiotisch von ihr gewesen sein, in ihren Verhältnissen! Sie ist
nicht sehr gut dran, wissen Sie – und gibt das auch gar nicht vor. Man müßte
daher annehmen, daß sie sich vorgesehen hätte, sich gerade mit der Familie
ihres Mannes zu überwerfen.»
«Einer der Vorteile eines
zurückgezogenen Lebens ist», sagte Damerel lächelnd, «daß Sie bisher noch nie
der Sorte Frauen begegnet sind, die sich einfach nicht
zurückhalten können, mit allen, die ihren Weg kreuzen, zu streiten. Es
geschieht ihr ewig Unrecht, und sie hat das Pech, sich immer nur mit Leuten so
schlechten
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