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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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drohte
der Marquis.
    Miss
Marling stützte sich auf den Ellbogen. «Du brauchst dir gar nicht einzubilden,
Vidal, daß ich mich von dir einschüchtern lasse! Die Männer sind alle
miteinander widerliche, ekelhafte Schufte und können mir gestohlen bleiben! Laß
mich doch in Ruhe und such dir deine dumme Mary selbst!»
    Man hörte
deutlich einen kleinen, unglücklichen Schluchzer in ihrer Stimme, und Vidal,
der im Grunde seines Herzens eine Schwäche für sie hatte, legte tröstend die
Arme um sie und sagte mit ungewohnter Sanftheit: «Nicht weinen, Kindchen!
Also, wo drückt der Schuh?»
    Miss
Marling vergrub ihr Gesicht in seinem blauen Rock und ließ den mühsam
zurückgehaltenen Tränen freien Lauf. «Ich will nach Hause!» schluchzte sie.
«Hier ist alles so scheußlich! Ich kann dieses Paris nicht mehr sehen – und –
und hoffentlich brauche ich nie wieder herzukommen!»
    Sie
zerknüllte mit einer Hand Vidals Spitzenkrawatte, und er entzog sie sorgsam
ihrem verheerenden Griff. «Du hast dich mit Comyn zerkracht, wie? Du bist ein
Schaf, Ju. Hör auf zu weinen! Ist er abgereist? Soll ich ihn dir zurückholen?»
    Miss
Marling wies dieses Angebot mit allen Anzeichen heftigen Widerwillens ab,
lief? Seine Lordschaft los und kramte unter ihrem Kissen nach einem
Taschentuch, in das sie kräftig hineinblies.
    «Ich frage
mich ...» Vidal verstummte und starrte mit einem unheilvollen Blick den
Bettpfosten an.
    Als Juliana
merkte, wie sich seine Miene umwölkte, sagte sie hastig: «Was fragst du dich?
Bitte schau nicht so mordlustig drein, Dominic! Das ertrage ich nicht.»
    Er
betrachtete sie nachdenklich. «Ich frage mich, ob Mr. Frederick Comyn irgend
etwas mit Marys Verschwinden zu tun hat.»
    «Mach dich
nicht lächerlich!» rief seine Cousine. «Warum um alles in der Welt sollte er
ihr zur Flucht verhelfen?»
    «Aus seinem
verdammten, übertriebenen Diensteifer vielleicht», meinte Vidal stirnrunzelnd.
«Ich hab den Burschen gestern abend hier überrascht, wie er sich mächtig
freundlich mit Mary unterhielt.»
    «Was!» Miss
Marling setzte sich steif auf. «Hier? Mit Mary? Was hat er getan?»
    «Ihre Hand
gehalten – der unverschämte Kerl.»
    «Oh!» Miss
Marling wurde ganz blaß vor Empörung. «Diese falsche, hinterlistige Schlange!
Keinen Ton hat sie mir davon gesagt! Und dann besitzt sie noch die Frechheit,
mich abzukanzeln, weil ich mit Frederick gestritten habe! Oh, ich könnte sie
alle beide umbringen! Hält ihre Hand, mitten in der Nacht! Und macht mir eine
Eifersuchtsszene, nur weil ich gern mit Bertrand tanze! Nein, das ist wirklich
der Gipfel! Das verzeihe ich den beiden nie!»
    Vidal erhob
sich. «Ich gehe in Comyns Quartier», verkündete er und schritt auf die Tür zu.
    «Tu ihm
nichts, Dominic, ich flehe dich an!» kreischte Juliana. «Herrgott, sei doch
nicht eine solche Gans!» sagte der Marquis gereizt und verschwand.
    Mr. Comyns
Vermieter, ein ehemaliger Kammerdiener, öffnete Vidal selbst und bat ihn in
eine schmale Diele. Nach dem englischen Gentleman befragt, erwiderte er,
dieser habe seine Zeche bezahlt und sei vor einer knappen Stunde mit der
Postkutsche abgereist.
    «So, so!
Allein?»
    Der
Kammerdiener schlug verlegen die Augen nieder. «Die englische Dame, die ihn
hier besuchte – oh, aber zu welch unpassender Zeit, M'sieur! – hat ihn
begleitet.»
    Er schielte
verstohlen zu Vidal auf und zuckte zusammen, als er dessen finstere Miene sah.
«So ist das also!» preßte der Marquis zwischen den Zähnen hervor. Dann lächelte
er, und der Franzose trat unwillkürlich einen Schritt zurück. «Haben sie
gesagt, wohin sie fahren?»
    «Aber nein,
M'sieur, wo denken Sie hin! Die Dame hatte kein Gepäck, nur Mr. Comyn nahm
alle seine Koffer mit. Er erklärte, er würde nicht wiederkommen, und gab mir
einen Brief, den ich in die Rue St. Honoré bringen sollte.»
    Die Augen
des Marquis blitzten auf. «An welche Adresse? Rasch !»
    «Zu einem
englischen Marquis, M'sieur, im Hotel Avon.»
    «Tatsächlich,
bei Gott!» sagte Vidal, machte auf dem Absatz kehrt und eilte auf dem
schnellsten Weg nach Hause.
    Der Brief,
auf dem sein Name in der korrekten Handschrift Mr. Comyns prangte, lag auf dem
Tisch in der großen Halle. Vidal brach das Siegel auf und überflog die wenigen
Zeilen.
    «Mylord»,
schrieb Mr. Comyn, «ich muß Eurer Lordschaft mitteilen, daß ich in Anbetracht
der Tatsache der Auflösung meiner Verlobung mit Miss Juliana Marling die
Kühnheit besaß, um die Hand der Dame anzuhalten, die

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