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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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erwiderte Mr. Comyn, «aber ich glaube, Sie bringen Lord Vidal mehr
Sympathie entgegen als ich dachte.»
    Sie blickte
ihn ernst an. «Ich habe aus einem unserer früheren Gespräche geschlossen, Sie
hätten erraten, daß er mir nicht – gleichgültig ist.»
    «Allerdings,
Madam, doch ich wußte nicht, daß diese Zuneigung bei Ihnen so tief geht. In
diesem Fall kann ich ehrlich gestanden nicht begreifen, warum Sie ihn so
unbedingt loswerden wollen.»
    «Er macht
sich nichts aus mir», antwortete Miss Challoner schlicht. «Und außerdem würde
ich, was meine Herkunft betrifft, überhaupt nicht zu ihm passen. Stellen Sie
sich doch nur vor, was für ein Schlag es für seine Eltern wäre, wenn er eine
solche Mesalliance einginge. Es soll schon
vorgekommen sein, daß ein Vater seinen Sohn deshalb enterbt hat.»
    Mr. Comyn
war erschüttert. «Madam, ich finde keine Worte! Darf ich nur so viel sagen –
Ihr beispielloser Edelmut erfüllt mich mit dem größten Respekt.»
    «Unsinn!»
erwiderte Miss Challoner scharf.

14
    Miss Marling nippte an dem Morgen nach
dem Ball im Hotel Saint-Vire erst sehr spät an ihrer Schokolade. Es war schon
elf Uhr vorbei, als sie erwachte,
und sie sah ganz und gar nicht so aus, als hätte die lange Nachtruhe
sie erfrischt. Ihre Zofe bemerkte sofort, wie jammervoll das kleine Gesicht
unter dem Spitzennachthäubchen hervorlugte, und zog ihre
eigenen Schlüsse daraus. Die schlechte Laune ihrer Herrin zeigte sich denn
auch bei der Auswahl ihres Morgenrockes und in einer mürrischen Kritik an der
Schokolade, die angeblich viel zu süß geraten war.
    Dann
verlangte sie zu wissen, ob man irgendeine Nachricht für sie hinterlassen oder
ob ein Besucher vorgesprochen hatte, und als das Mädchen beides verneinte,
stieß sie die Tasse weg und sagte, sie könne das abscheuliche Zeug nicht trinken.
    Sie lag
noch im Bett und überlegte, ob sie Mr. Comyn schreiben sollte oder nicht, als
man ihr meldete, der Marquis von Vidal sei unten und ließe bitten, ihn
unverzüglich zu empfangen.
    Sie war so
enttäuscht, daß der Besucher nicht Mr. Comyn war – denn damit hatte sie ganz
sicher gerechnet –, daß ihr die Tränen in die Augen stiegen. «Ich kann ihn
nicht sehen», antwortete sie mit gepreßter Stimme. «Sagen Sie ihm, ich sei
noch im Bett und hätte Kopfschmerzen.»
    Der Lakai
trottete gehorsam die Treppe hinunter, doch nach zwei Minuten hörte man, wie
sich leichtere, raschere Schritte näherten, und gleich darauf klopfte es
gebieterisch an die Tür. «Laß mich hinein, Ju. Ich muß dich sprechen», befahl
Vidal.
    «Also gut,
meinetwegen!» rief Juliana verdrießlich.
    Der Marquis
trat, sehr zum Mißfallen der Zofe, ins Zimmer und bedeutete ihr durch einen
Wink, sie möge sich zurückziehen. Nachdem sie mit einem
beleidigten Schnauben verschwunden war, schlenderte er zu dem großen Bett und
blickte grimmig auf Juliana nieder. «Ich habe von der Dienerschaft erfahren,
daß Mary Challoner heute früh am Morgen das Haus verlassen hat und bis jetzt
nicht zurückgekehrt ist», begann er ohne Umschweife. «Wo ist sie?»
    «Du meine
Güte, woher soll ich das wissen?» sagte Juliana gereizt. Sie schob sich eines
ihrer spitzenbesetzten Kissen höher unter den Kopf. «Wahrscheinlich ist sie
lieber fortgelaufen, als dich zu heiraten, und das könnte ich ihr nicht einmal
verübeln, wenn es zu deinen Gewohnheiten zählt, bettlägerige Damen derart
rücksichtslos zu überfallen.»
    «Ach, sei
nicht so zimperlich, Ju!» sagte Seine Lordschaft ungeduldig. «Ich hab sie dir
anvertraut.»
    «Na und?
Ich kann schließlich nicht ewig an ihren Rockfalten hängen. Außerdem wäre sie
darüber bestimmt nicht erfreut.»
    Vidal
musterte sie mit einem scharfen Blick. «Oh? Habt ihr euch gezankt?»
    «Sei bitte
so gut und miß nicht jeden mit deinem Maßstab», antwortete Juliana
schnippisch. «Es gibt auch Leute, die sich nicht andauernd in eine Streiterei
verwickeln lassen, und ich bin zweifellos die erste, auf die das zutrifft, wenn
man mich halbwegs nett behandelt.»
    Seine
Lordschaft setzte sich auf die Bettkante. «Nun komm schon, Mädchen», sagte er.
«Heraus mit der Sprache! Was ist zwischen euch vorgefallen?»
    «Überhaupt
nichts!» fauchte ihn Juliana an. «Obgleich ich überzeugt davon bin, daß Mary
mich genauso gräßlich findet wie dich – aber es ist mir unendlich gleichgültig,
was sie oder jemand anders über mich denkt.»
    «Wenn du
mir nicht augenblicklich sagst, was los ist, lege ich dich übers Knie»,

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