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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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«'ne
feine Sache wär das, wenn wir'n Frauenzimmer von Ihrer Sorte
aufnehmen würden! Hast schon richtig verstanden, Mädchen, und brauchst mich
gar nicht so hochmütig anzustarren – fort mit dir, aber rasch, wenn ich bitten
darf!»
    «Einen
Augenblick, gute Frau», sagte eine sanfte Stimme von der Treppe aus.
    Miss
Challoner sah hastig auf. Ein schlanker Gentleman, auf das prächtigste ganz in
Schwarz mit Silberspitze gekleidet, schritt mit unnachahmlicher Lässigkeit die
Stufen herunter. Er trug eine gepuderte Perücke, und sie bemerkte ein
Schönheitspflästerchen neben seinem ziemlich schmallippigen Mund und das
Glitzern einer Diamantnadel in den Rüschen seiner Halskrause. In der einen Hand
hielt er einen Ebenholzstock, an der anderen funkelte ein großer, rechteckiger
Smaragd. Als er in das Licht der Lampen trat, sah Miss Challoner, daß er alt
war, j obwohl seine Augen, die sie unter schweren Lidern prüfend musterten,
einen bemerkenswert scharfen Blick hatten. Sie waren von einem harten Grau, in
dessen Tiefen sich ein zynischer Schimmer verbarg.
    Sie erriet
sofort, daß er eine sehr angesehene Persönlichkeit sein mußte, denn abgesehen
davon, daß der Wirt bei seiner devoten Verbeugung mit der Nase fast den Boden
berührte, verströmte der Gentleman jenen unverkennbaren Hauch von Autorität,
wie er Menschen anhaftet, die zum Befehlen geboren sind.
    Er hatte
nun den Fuß der Treppe erreicht und schritt langsam auf die an der Tür
versammelte Gruppe zu. Ohne den Wirt eines Blickes zu würdigen, wandte er sich
ausschließlich an Miss Challoner und sagte in gepflegtem Englisch: «Sie
befinden sich anscheinend in Schwierigkeiten, Madam. Bitte sagen Sie mir, wie
ich Ihnen behilflich sein kann.»
    Sie
knickste würdevoll. «Vielen Dank, Sir. Ich suche lediglich eine Unterkunft für
die Nacht, aber ich möchte Ihnen keinesfalls zur Last fallen.»
    «Das
scheint mir doch keine so abwegige Bitte zu sein», sagte der Gentleman, indem
er die Brauen hochzog. «Sie werden mir zweifellos erklären, wo der Haken an der
Sache liegt.»
    Seine
kühle, gebieterische Art zauberte ein Lächeln auf Miss Challoners Lippen. «Sie
sind sehr gütig, Sir, aber ich bitte Sie nochmals, sich nicht mit meinen
lächerlichen Angelegenheiten zu befassen.»
    Sein kalter
Blick ruhte mit einem Ausdruck gelangweilter Gleichgültigkeit auf ihr, die sie
verwirrend und gleichzeitig seltsam vertraut fand. «Mein liebes Kind»,
antwortete er eine Spur geringschätzig, «Ihre zwar äußerst schmeichelhaften
Skrupel sind völlig unangebracht. Ich stelle mir vor, ich könnte sehr wohl Ihr
Großvater sein.»
    Sie
errötete ein wenig, blickte ihn dann aber offen an: «Verzeihen Sie, Sir.
Ich scheute mich nur davor, einen Fremden zu belästigen.»
    «Das ist
mir eine ungeheure Beruhigung», sagte er. «Wollen Sie nun die Freundlichkeit
haben, mir zu erklären, warum diese Frau sich außerstande sieht, Ihnen ein
Zimmer zu vermieten?»
    «Ich kann
ihr schwer einen Vorwurf daraus machen, Sir», erwiderte Miss Challoner
aufrichtig, «denn ich kam ohne Zofe und ohne Gepäck mit der Postkutsche hier
an. Meine Situation ist außerordentlich peinlich, und es war sehr dumm von
mir, daß ich mir nicht früher überlegt habe, wie befremdend mein Aufzug wirken
muß.»
    «Ich
fürchte, es steht nicht in meiner Macht, Sie für den Verlust Ihres Gepäcks zu entschädigen,
doch ein Zimmer kann ich Ihnen sofort beschaffen.»
    «Wenn Sie
das für mich tun wollten, Sir, wäre ich Ihnen wirklich sehr dankbar.»
    Der
Engländer wandte sich an den Wirt, der unterwürfig seine Befehle erwartete.
«Ihre Beschränktheit, mein guter Boisson, ist in der Tat beklagenswert»,
bemerkte er. «Sie werden diese Dame unverzüglich in ein passendes Zimmer
führen.»
    «Ja,
Monseigneur, ja, natürlich. Ganz wie Monseigneur wünschen. Aber ...»
    «Ich glaube
nicht», sagte der Engländer sanft, «daß ich das Verlangen kundtat, mich mit
Ihnen zu unterhalten.»
    «Nein,
Monseigneur», stammelte der Wirt. «Wenn – wenn Mademoiselle meiner Frau nach
oben folgen will? Das große straßenseitige Zimmer, Célestine!»
    «Was, das
große Zimmer?» fragte Madame grollend.
    Der Wirt
stieß sie verstohlen mit dem Ellbogen an. «Selbstverständlich das große. Nun
mach schon!»
    Der
Engländer verneigte sich vor Miss Challoner. «Sie bestellten auch ein
Abendessen, glaube ich. Erweisen Sie mir die Ehre, mit mir zu speisen? Boisson
wird Sie in meinen privaten Balle geleiten.»
    Miss
Challoner

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