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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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was sie tun sollte, ein Zustand, der ihrer sich auch auf ihr Innenleben
erstreckenden Ordnungsliebe zutiefst zuwider war, denn mutterseelenallein
mitten in einem fremden Land auf dem trockenen zu sitzen, erschien ihr als das
schlimmste Schicksal, das ein junges Mädchen erleiden konnte, und kein noch so
vernünftiges Argument war imstande, sie davon zu überzeugen, daß sie unter den
gleichen Umständen in England kaum besser darangewesen wäre.
    Zuerst
konzentrierte sie sich auf das Problem, wie sie Paris erreichen könnte, kam
jedoch nach einiger Überlegung zu dem Schluß, daß eine Rückkehr dorthin sinnlos
war. Sie hatte keine Bekannten und auch nicht die Absicht, sich an die Englische
Botschaft um Hilfe zu wenden, daher war jede Bemühung, wieder in die Hauptstadt
zu gelangen, völlig zwecklos. Vielleicht war es sogar besser, wenn sie sich in
einem kleineren Ort Arbeit suchte, denn falls Lord Vidal sie noch immer verfolgte,
würde er bestimmt annehmen, Paris sei ihr Ziel, und in diesem Fall war sie
bereit, jedes andere Fleckchen Erde vorzuziehen.
    Die Worte
der Herzogin von Avon klangen ihr noch immer in den Ohren. Nein, Ihre Gnaden
brauchte nicht zu glauben, daß Miss Mary Challoner sich der vornehmen Familie
Alastair aufdrängen würde. Lieber sterben – nein, das war albern. Sie hatte
nicht die geringste Lust, frühzeitig aus dieser schönen Welt zu scheiden. Gott,
jetzt wurde sie schon wie Juliana, die auch immer gleich maßlos übertrieb! Sie
gab sich innerlich einen Ruck. Ihre Situation war zwar unangenehm, aber
keineswegs verzweifelt. Wenn auch kaum Aussicht bestand, daß sie ohne
entsprechende Empfehlung ihren ursprünglichen Plan von einem Gouvernantenposten
verwirklichen konnte, mußte sicher irgendeine andere Arbeit aufzutreiben sein,
und ganz gewiß durfte sie nach all ihren Abenteuern nicht die Zimperliche
spielen. Das Bewußtsein, so plötzlich und vor allem unverdient ihren guten Ruf
verloren zu haben, versetzte sie in eine bedrückte Stimmung, von der sie sich
nicht zu befreien vermochte. Sie begann in Gedanken die verschiedenen
Möglichkeiten, die ihr für ihre Berufswahl offenstanden, zu überlegen, und als
sie so deprimierende Berufe wie Putzmacherin, Näherin, Hausmädchen und
Wäscherin durchgegangen war, fühlte
sie sich doch ziemlich niedergeschlagen. Im großen und ganzen schien das Leben
eines Hausmädchens noch die annehmbarste Lösung zu
sein. Sie wollte sich bemühen, eine passende Anstellung zu finden, und
sobald sie genug Geld gespart hatte, wollte sie nach England zurückkehren, wo
sich vielleicht mit ein bißchen Geschick eine geeignetere
Beschäftigung finden ließ. Selbst wenn sie die Mittel zur Verfügung gehabt
hätte, wäre sie jetzt nicht in die Heimat gefahren, denn zweifellos würde man
eine Zeitlang genau beobachten, wer mit dem Postschiff ankam. Dabei dachte sie
weniger an den Marquis als an ihre eigene Familie. Später, wenn über die Affäre
Gras gewachsen war und sie damit rechnen konnte, allmählich in Vergessenheit zu
geraten, durfte sie den Schritt zurück wagen, wobei sie sich allerdings nie,
das gelobte sie sich, in Reichweite ihrer Angehörigen begeben wollte.
    Sobald sie
sich einmal entschlossen hatte, Hausmädchen zu werden, blieb ihr nichts mehr,
worüber sie nachgrübeln konnte, außer über die Ereignisse der vergangenen Tage,
und daraus ergab sich augenblicklich eine Quelle neuerlicher Besorgnis: der
Marquis würde, sobald er ihre Flucht entdeckte, bestimmt keine Sekunde
verlieren, sie zu verfolgen. Was war es doch für eine riesengroße Dummheit
gewesen, die Postkutsche nach Paris zu nehmen! Genau das würde Mylord als
erstes vermuten, und er hatte garantiert keine Schwierigkeit, dieses behäbige
Gefährt zu überholen. Andererseits hatte wieder niemand gesehen, wie sie den
Gasthof verlief?, obwohl es für das Zimmermädchen sicher eine Kleinigkeit
gewesen war, ihre Absicht zu erraten. Vielleicht durchkämmete Seine Lordschaft
zuerst Dijon und die nähere Umgebung. Dann blieb ihr genug Zeit, um
unterzutauchen. Außerdem war noch die Herzogin zu berücksichtigen, und Miss
Challoner neigte seit ihrer Reise in Gesellschaft Seiner Lordschaft zu der
Ansicht, daß ihre Wünsche für ihn mehr oder weniger das Amen im Gebet
darstellten. Dem Wortlaut ihrer Begrüßung nach schien es sicher, daß sie ihren
ganzen Einfluß aufbieten würde, ihn zu überreden, seine unglückselige Liaison
abzuschreiben. Dazu kam noch der schlanke, große Herr, der vermutlich

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