Georgette Heyer
Paris, Sir?»
«Gewiß»,
erwiderte Seine Gnaden. «Vielleicht sollte ich Ihnen sagen, mein Kind, daß Sie
sich offiziell in seiner Begleitung befinden.»
«Tatsächlich?»
Miss Challoner blinzelte ihn an. «Dann haben Sie ihn also in Newmarket
getroffen?»
«Sagen wir
lieber, er hat mich dort aufgesucht», berichtigte er. «Er wohnt gegenwärtig in
einem Hotel, das er für einige Wochen gemietet hat. Sie, liebe Mary, hüten dort
im Moment wegen einer leichten Unpäßlichkeit das Bett. Die Verlobung zwischen
Ihnen und meinem Sohn besteht schon lange, wenn auch im geheimen. Bisher ...»
Seine Gnaden betupfte seine Lippen mit der Serviette und legte sie dann
beiseite. «Bisher haben nämlich sowohl Sir Giles als auch ich die Zustimmung
zu dieser Heirat verweigert.»
«Oh,
wirklich?» sagte Mary fasziniert.
«Offensichtlich.
Doch Vidals Verbannung nach Frankreich hat Ihre Nerven derart angegriffen, mein
liebes Kind, daß Sie in Gefahr schienen, einem langsamen Siechtum
anheimzufallen. Das bewog Sir Giles und mich, schließlich nachzugeben.»
«O nein!»
bat Miss Challoner. «Bitte nicht ausgerechnet ein Siechtum, Sir! Ich bin kein
so schwächliches Geschöpf!»
«Ich
bedaure unendlich, Ihnen widersprechen zu müssen, Mary, aber Sie befanden sich
zweifellos am Rand einer schweren Krise», sagte Avon mit Bestimmtheit.
Miss
Challoner seufzte. «Nun, wenn Sie darauf bestehen, Sir.... Und weiter?»
«Als
nächstes», fuhr Avon fort, «kamen die Herzogin und ich nach Paris, um die
Trauungszeremonie durch unsere Anwesenheit zu beehren. Wir kommen allerdings
erst in ein oder zwei Tagen an. Ich denke, wir befinden uns im Augenblick
irgendwo in der Nähe von Calais. Nach unserer Ankunft werden wir Ihnen zu
Ehren eine Rout geben. Bei dieser Gelegenheit wird man Sie offiziell als die
zukünftige Gemahlin meines Sohnes in die Gesellschaft einführen. Dabei fällt
mir ein, daß ich Sie für Ihren bewunderungswürdigen Takt, während Ihres
Aufenthalts bei meiner Kusine Elisabeth nicht auszugeben, nicht genug loben
kann.»
Miss
Challoner fühlte sich verpflichtet zu bemerken: «Es gibt jemand, der mich im
Hotel Charbonne gesehen hat, Sir. Der Vicomte de Valmé.»
«Bertrand
kannst du ruhig mir überlassen», warf der Marquis ein. «Das ist alles sehr klug
eingefädelt, Sir, aber wann findet unsere Hochzeit eigentlich statt?»
«Sobald
Miss Challoner Zeit gefunden hat, ihr Brautkleid zu kaufen, mein Sohn. Das
übrige überlasse ich dir. Mein Einfallsreichtum versagt bei der Planung eurer
Hochzeitsreise.»
«Sie
überraschen mich, Sir. Ich werde mit dir nach Italien fahren, Mary. Bist du
einverstanden?»
«Ja, Sir,
von ganzem Herzen», sagte sie und lächelte ihn an.
Er streckte
die Hand über den Tisch, um ihre zu ergreifen. Der Herzog sagte
trocken: «Gedulde dich noch einen Moment mit deinen Liebesbeweisen, Vidal. Ich
habe dir noch eine Mitteilung zu machen. Dein jüngstes Opfer war, als ich
England verließ, bereits auf dem Wege der Besserung.»
«Mein
jüngstes Opfer?» überlegte Seine Lordschaft stirnrunzelnd. «Oh, Quarles! In der
Tat, Sir?»
«Du
scheinst an seinem Schicksal nicht übermäßig interessiert zu sein», bemerkte
Avon.
Der Marquis
schaute Mary an. «Es berührt mich jetzt nicht mehr, Sir. Meinetwegen kann er
leben, solange er will.»
«Was für
eine überwältigende Großmut!» sagte Seine Gnaden mit einer Spur von Ironie.
«Vielleicht interessiert es dich aber doch zu erfahren, daß dieser Gentleman –
äh – freiwillig – eine Erklärung abgegeben hat, durch die sich die
Notwendigkeit für dein Exil erübrigt.»
Vidal
wandte den Kopf und musterte seinen Vater mit sichtlicher Bewunderung. «Ich
würde schrecklich gern wissen, wie Sie ihn dazu gebracht haben, Sir, das gebe
ich zu. Aber ich habe England nicht aus Angst vor einer Verhaftung verlassen.»
Avon
lächelte. «Wirklich nicht, mein Sohn?»
«Nein, Sir,
das wissen Sie. Ich ging nur, weil Sie es mir befohlen haben.»
«Sehr
richtig», sagte Seine Gnaden, indem er sich erhob. «Zweifellos werde ich so
nachgiebig sein, dir auch wieder deine Rückkehr zu befehlen – nach eurer Reise
nach Italien.» Sein Blick ruhte einen Moment auf Miss Challoner. «Ich tröste
mich mit dem Gedanken, daß es deiner Frau wahrscheinlich gelingen wird, dein –
wie ich zugebe ganz natürliches – Verlangen, deine Mitmenschen auszurotten, im
Zaum zu halten.»
«Ich will
mich bemühen, Sie nicht zu enttäuschen, Sir», antwortete Miss Challoner ernst.
Es
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