Georgette Heyer
Traum an – an Heirat oder Liebe
oder irgend so einen Unsinn. Und selbst wenn das der Fall wäre, ist es bestimmt
nichts Ernstes, und nach einer Woche in Paris hat sie garantiert vergessen, daß
der junge Mann überhaupt existiert.»
«Oh», warf
Hugh ein, der voraussah, daß John versuchen würde, seine Mutter eines Besseren
zu belehren, «Juliana fährt nach Paris?»
«Ja,
sicher, warum nicht? Hast du vergessen, daß meine chère maman Französin
war? Da ist es doch nicht weiter verwunderlich, wenn das gute Kind einmal seine
französischen Verwandten besucht. Sie sind ganz versessen darauf, Juliana
endlich kennenzulernen, deshalb wird John sie nächste Woche hinüber begleiten.
Ich bin überzeugt, man wird sie so viel ausführen, daß sie wahrscheinlich gar
nicht mehr heimkommen will.»
«Aber ich
zweifle sehr, ob diese ganzen Bemühungen einen Sinn haben», sagte John düster.
«Ich bitte
dich, sei doch nicht so provozierend!» sagte Lady Fanny gereizt. «Du tust
geradeso, als wäre ich eines dieser Ränke schmiedenden Frauenzimmer, die ich so
verabscheue.»
Hugh fand
es an der Zeit, sich zurückzuziehen, und verabschiedete sich taktvoll, um
Mutter und Sohn Gelegenheit zu geben, ihren Zwist unter vier Augen
fortzusetzen.
Mittlerweile
hatte Miss Juliana Marling – eine entzückende Blondine in blauem Lüstrin und
flitterbesetzten Schuhen, die Locken ä la Gorgonne frisiert – ihren
Cousin in einen der anschließenden Salons gezogen. «Es trifft sich großartig,
daß du heute abend hier bist», erklärte sie ihm.
«Wenn du
mir eine Gefälligkeit abluchsen willst, Juliana», sagte der Marquis
bemerkenswert ungalant, «dann warne ich dich, denn ich strapaziere mich prinzipiell
nicht für andere Leute.»
Miss
Marling riß die blauen Augen weit auf. «Nicht einmal für mich, Dominic?» fragte
sie schmachtend.
«Nein»,
antwortete Seine Lordschaft ungerührt.
Miss
Marling schüttelte seufzend den Kopf. «Ich muß schon sagen, du bist ein
gräßlich unhöflicher Mensch, und das bestärkt mich von neuem in meinem
Entschluß, dich nicht zu heiraten.»
«Das hoffte
ich ja», sagte Seine Lordschaft gelassen.
Miss
Marling versuchte einen Augenblick, beleidigt dreinzuschauen, konnte jedoch ein
Kichern nicht unterdrücken. «Du brauchst keine Angst zu haben. Ich habe da
nämlich ganz jemand anderen im Auge.»
Seine
Lordschaft zeigte einen Anflug von Interesse. «So?» fragte er. «Und weiß meine
Tante über deine Pläne Bescheid?»
«Du magst
zwar gemein und entsetzlich unverschämt sein», sagte Miss Marling, «aber eines
muß man dir lassen, Dominic: du hast wenigstens keine so lange Leitung wie
John. Mama will natürlich nicht, daß ich ihn heirate, und deshalb hat sie die
Absicht, mich nächste Woche nach Frankreich zu verfrachten.»
«Wer ist
'er'? Kenne ich ihn?»
«Das glaube
ich kaum. Er ist ganz und gar nicht der Typ, der mit deiner Clique verkehren
würde», sagte Miss Marling streng.
«Ah, dachte
ich mir's doch», erwiderte Mylord. «Du liebäugelst mit einer Mesalliance.»
Miss
Marlings graziles Figürchen straffte sich hoheitsvoll. «Da täuschst du dich
aber gewaltig! Er ist vielleicht keine besonders großartige Partie und hat
auch keinen Titel, aber alle diese sogenannten 'guten Partien', die ich
kenne, sind um kein Haar besser als du und würden gräßliche Ehemänner abgeben.»
«Ich bin
aufs Schlimmste gefaßt», meinte Mylord. «Und wenn du Unterstützung gegen Tante
Fanny brauchst, kannst du auf mich zählen.»
Sie
klammerte sich mit beiden Händen an seinen Arm. «Oh, Dominic, du bist ein
Schatz! Ich wußte ja, daß du mich nicht im Stich läßt! Es ist Frederick Comyn.»
«Sagt mir
nichts. Die näheren Einzelheiten?»
«Er kommt
aus Gloucestershire – oder Somerset, ich weiß es nicht genau, aber das spielt
ja auch keine Rolle –, und sein Vater ist Sir Malcolm Comyn, und es ist alles
durchaus respektabel, wie die liebe Tante Leonie sagen würde, denn sie leben
schon seit undenklichen Zeiten dort – auf einem Gut, wenn auch auf keinem sehr
großen, glaube ich, und Frederick ist der älteste Sohn und war immerhin in
Cambridge. Und jetzt ist er zum erstenmal in London und ein Schützling von Lord
Carlisle. Du siehst also, es handelt sich keineswegs um eine Mesalliance.»
«Doch»,
sagte Seine Lordschaft. «Du kannst deine Träume ruhig begraben, meine Liebe,
denn man wird dir nie erlauben, dich an diesen Niemand wegzuwerfen.»
«Dominic!»
sagte Miss Marling gefährlich
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