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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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zurückzuführen ist, sondern
darauf, daß ich sie gewaltsam entführte. Ihre Tugend ist über jeden Zweifel
erhaben, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie vergessen könnten, sie
jemals in meiner Gesellschaft gesehen zu haben.»
    «Sir»,
sagte der bekanntlich zur Pedanterie neigende Mr. Comyn, «da dies
nie der Fall war, sehe ich mich nicht genötigt, irgend etwas zu vergessen. »
    «Sie sind
ein Pfundskerl», sagte Seine Lordschaft mit ungewohnter Herzlichkeit. «Ich
vertraue Ihnen.» Er setzte sich auf die Fensterbank und erwies Mr. Comyn die
Ehre eines kurzen, ungeschminkten Berichts über die Ereignisse der vergangenen
zwei Tage.
    Mr. Comyn
lauschte mit gesammeltem Ernst und verkündete schließlich, das sei eine höchst
erbauliche Geschichte. Er fügte hinzu, das Vertrauen Seiner Lordschaft wäre
eine hohe Auszeichnung, und bat um die Erlaubnis, ihm seine Glückwünsche zur
bevorstehenden Vermählung aussprechen zu dürfen.
    «Ach, gehen
Sie zum Teufel!» gab der Marquis erbost zurück.

9
    Was Seine Lordschaft zu Miss Challoner
über die Ungehörigkeit und Dummheit, einen Fremden in einem französischen
Gasthaus anzusprechen, bemerkte, war alles andere als liebenswürdig, verfehlte
jedoch seine Wirkung. Die so grob Gescholtene widmete sich seelenruhig weiter
ihrem Mahl, ohne der Gardinenpredigt mehr als ein höfliches Ohr zu leihen, und
hielt allem Anschein nach Mr. Comyns mangelnde Französischkenntnisse für eine
ausreichende Entschuldigung, worauf Mylord sie unverzüglich eines Besseren
belehrte. «Es kommt mir ganz so vor, als hätten Sie nicht erfaßt, in welch
heikler Situation wir uns befinden», sagte er.
    Miss
Challoner unterzog eine Schale mit Konfekt einer eingehenden Prüfung und wählte
endlich mit spitzen Fingern die leckersten Stücke aus. «Doch», antwortete sie.
«Schließlich habe ich genug Zeit gehabt, darüber nachzudenken, Mylord, und so
bin ich zu der Ansicht gekommen, daß von meinem guten Ruf ohnehin nichts mehr
übrig ist.»
    Der Marquis
lachte. «Und das läßt Sie so kalt, Madam?»
    «Sie
sollten froh darüber sein», sagte Miss Challoner heiter, «denn ich könnte mir
vorstellen, daß es Ihnen höchst widerwärtig wäre, eine Dame nach Paris zu
befördern, die einen hysterischen Anfall nach dem anderen erleidet.»
    «Garantiert»,
sagte der Marquis mit Überzeugung.
    «Außerdem»,
fuhr Miss Challoner fort, indem sie den Finger ein zweites Mal unschlüssig über
der Konfektschale kreisen ließ, «bin ich der Meinung, daß ich mit einer Szene
nichts anderes erreichen würde, als sowohl meine als auch Ihre Nerven zu
strapazieren.» Sie knabberte an einer kandierten Pflaume. «Und überdies haben
Sie mich nicht nur einmal mit größter Brutalität bedroht, daher sollte es Sie
nicht wundern, wenn ich schreckliche Angst davor habe, Ihren Zorn auf mein
Haupt zu laden.»
    Der Marquis
schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, daß die Gläser tanzten. «Lügen Sie
nicht!» rief er. «Sie fürchten sich nicht im geringsten vor mir! Habe ich
recht?»
    «Im
Augenblick ja, Sir», gab sie zu. «Aber wenn Sie die zweite Flasche anbrechen,
kommen mir Bedenken.»
    «Darf ich
Ihnen zur Kenntnis bringen, Madam, daß man mich erst nach der dritten für
gefährlich hält.»
    Miss
Challoner betrachtete ihn mit einem leisen Lächeln. «Mylord, Sie werden in dem
Moment gefährlich, wo etwas nicht nach Ihrem Willen geht», sagte sie offen.
«Sie sind verzogen, unbeherrscht und entsetzlich arrogant.»
    «Danke»,
sagte Seine Lordschaft. «Vielleicht liegt Ihnen das gesetzte Betragen Ihres
Freundes Mr. Comyn mehr?»
    «Er ist ein
Ehrenmann, der entschieden weiß, was sich gehört», bestätigte Miss Challoner.
    «Natürlich,
und ich dagegen bin ein Ehrenmann, der entschieden nicht weiß, was sich
gehört.»
    «Oh, kein
Ehrenmann, Sir, ein Edelmann», verbesserte ihn Miss Challoner ironisch.
    «Mein
Kompliment, Madam, Sie führen eine scharfe Klinge. Gibt es sonst noch etwas an
Mr. Comyn, das Sie erwähnenswert finden?»
    «Allerdings,
Sir – seine außerordentlich liebenswürdigen Manieren.»
    «Da kann
ich nicht konkurrieren, denn ich habe überhaupt keine», sagte Seine Lordschaft
unverblümt. «Als Edelmann kann ich auf derlei Kinkerlitzchen verzichten.
Erlauben Sie mir, Ihnen diese zweite Schale mit kandierten Früchten zu reichen,
die anscheinend Ihrer Aufmerksamkeit entgangen ist.»
    «Vielen
Dank», sagte Miss Challoner.
    Der Marquis
nippte an seinem Wein und beobachtete sie dabei über den

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