Georgette Heyer
Sie mit mir durchgebrannt sind, um mich
erfolgreich in die Falle zu locken.»
«Oh!» sagte
Miss Challoner errötend.
«Sie haben
es erfaßt, meine Liebe», sagte Seine Lordschaft zynisch. «Und da wir
schließlich aus dem Grund heiraten, daß auch nicht der Schatten eines Skandals
auf Ihren achtbaren Namen fällt, werden wir die Trauung so unauffällig wie nur
möglich vollziehen. Danach kann ich ohne weiteres so tun, als hätte ich Sie in
allen Ehren in Paris getroffen, wo Sie sich vorübergehend bei Freunden
aufhielten, und höchst romantisch im stillen geheiratet.»
«Ich
verstehe», sagte Miss Challoner. «Und wie wollen Sie diesen schönen Plan in die
Tat umsetzen?»
«Es gibt
noch immer Protestanten in Frankreich, meine Liebe. Ich brauche also nur einen
Pastor aufzutreiben. Aber das kann unter Umständen ziemlich schwierig sein,
und bis dahin müssen Sie sich eben in meinem Haus verbergen. Leider kann ich
meiner Tante nicht trauen, sonst würde ich Sie in ihre Obhut geben.» Er hielt
inne. «Dann ist da natürlich noch mein feister Großonkel Armand de Saint-Vire.
Nein, der ist viel zu geschwätzig.»
«Anscheinend
haben Sie viele Verwandte in Paris, Sir», bemerkte Miss Challoner. «Ich
beglückwünsche Sie.»
«Nicht
notwendig», sagte Vidal. «Wenn's nach mir ginge, könnten sie alle miteinander
zur Hölle fahren. Schlimm genug, daß meine Mutter Französin ist, aber nein,
muß nicht meine Großmutter väterlicherseits auch noch eine sein! Und was ist
der Erfolg? Daß man in Paris auf Schritt und Tritt über einen meiner verdammten
französischen Cousins stolpert. Nehmen wir zum Beispiel die Tante, der ich Sie
nicht anvertrauen will. Strenggenommen ist sie eine Cousine, aber meine ganze
Generation kennt sie nur als Tante Elisabeth. Sie werden sie noch kennenlernen.
Die Ärmste hat eine Schwäche für mich. Die übrige Familie ist für Sie nicht von
Belang – die halte ich mir eisern vom Leibe.»
«Und Ihr
feister Großonkel?» fragte Miss Challoner.
«Bah, der
hat mit diesem Zweig der Familie nichts zu tun. Er ist das Oberhaupt der
Familie meiner Mutter. Er heiratete erst sehr spät, als er in den Besitz des
Titels kam. Außerdem ist er ein Freund meines Vaters und hat so wie er nur
einen Sohn, meinen Cousin Bertrand. Den werden Sie auch noch kennenlernen.»
«Oh,
wirklich?» fragte Miss Challoner. «Wann?»
«Nachdem
Sie meine Frau geworden sind.»
«Die
Aussicht ist natürlich verlockend, Sir», meinte Miss Challoner, «aber nicht
einmal der Gedanke an diese Genüsse kann mich zur Heirat verleiten.» Damit
machte sie ihm einen graziösen Knicks und begab sich zur Tür.
«Xanthippe»,
sagte Seine Lordschaft, als sie die Klinke niederdrückte.
Miss
Challoner knickste noch einmal und verschwand.
Am nächsten
Morgen traf sie Seine Lordschaft dabei an, wie er ein kräftiges Frühstück
verzehrte, und da es ihm offenbar viel besser ging, erhob sie keine Einwände.
Der kleine Doktor erschien dann gegen Mittag; obwohl er mit Vidals Absicht,
noch am selben Tag aufzubrechen, keineswegs einverstanden war und heftig
dagegen protestierte, erlaubte er seinem Patienten doch gnädig, für kurze Zeit
das Bett zu verlassen. Als er sich verabschiedet hatte, überredete Miss
Challoner den Marquis, ihre Abreise noch um einen Tag zu verschieben. Sie
verbrachte den Nachmittag auf ihrem Zimmer, und als sie kurz vor dem Abendessen
in den Privatsalon hinunterging, wurde sie unfreiwillig Zeuge einer erregten
Debatte, die am Fuß der Treppe im Gange war.
In
Mittelpunkt der heftig gestikulierenden Gruppe stand ein adretter, völlig ruhig
wirkender Herr in Reisekleidung von unverkennbar englischem Schnitt. M.
Plançon, der Wirt, versuchte anscheinend, sich dem Gentleman verständlich zu
machen, unterbrach aber seinen Redefluß immer wieder, um verzweifelt die Arme
zum Himmel zu heben, während zwei Diener und ein Stallknecht das Thema
weiterhin mit größter Lautstärke und lebhaften Gebärden diskutierten.
Miss
Challoner zögerte, eingedenk der Instruktionen Seiner Lordschaft, doch gerade
in diesem Moment sagte der Reisende mit wohltemperierter, beherrschter Stimme:
«Zu meinem größten Bedauern, meine lieben Freunde, verstehe ich kaum ein Wort
von euren so zuvorkommend erteilten Ratschlägen, aber ich bin Engländer – Anglais,
vous savez, und ich spreche nicht französisch. Ne comprenny pas.»
In Miss
Challoner regten sich mütterliche Instinkte. Sie schritt die restlichen Stufen
hinab und fragte: «Kann ich
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