Georgette Heyer
anziehen, hielt sie es für vernünftiger zu
kapitulieren. Seine Augen funkelten noch immer böse, als sie in einem Kleid
aus blauer Köperbaumwolle wieder erschien, und sie brauchte geraume Zeit, um
ihn endlich zu beschwichtigen.
Bei ihrer
Ankunft in Paris geleitete Seine Lordschaft Miss Challoner sofort ins Hotel
Avon, wo sie sich häuslich einrichtete, während er sich auf die Suche nach
seiner Cousine begab. Es war schon spät am Abend, so daß er weder Miss Marling
noch Mme. de Charbonne zu Hause antraf. Die beiden Damen besuchten, wie er
erfuhr, einen Ball bei einer gewissen Mme. de Château-Morny, und er zögerte
keine Sekunde, ihnen zu dieser Adresse zu folgen, da er in weiser Voraussicht
seine Reisekleidung gegen einen ziemlich üppig mit Gold verbrämten Rock aus
gelbem Samt und Satinkniehosen vertauscht hatte. Mr. Timms, der sich im Land
der modischen Feinheiten in seinem Element fühlte, war es sogar gelungen, die
rabenschwarzen Locken makellos zu pudern und überdies eine Diamantspange an dem
schwarzen Band, das sie im Nacken zusammenhielt, anzubringen. Diamantschnallen
zierten auch die Schuhe des Marquis, und eine Diamantnadel blitzte in der
zarten Spitzenkaskade seines Halstuchs. Mr. Timms hätte schrecklich gern noch
ein paar Ringe über Mylords lange weiße Finger gestreift, doch der Marquis
schob sie alle beiseite und wollte partout nichts anderes tragen als seinen goldenen
Siegelring. Auch die Hasenpfote und die Kassette mit den Schönheitspflästerchen
entlockten ihm nur ein unwilliges Grunzen, und erst als Timms ihn fast unter
Tränen beschwor, wenigstens nicht ohne einen Hauch von Rouge auf einen Pariser
Ball zu gehen, gab er lachend nach. Als er sich danach von Miss Challoner
verabschiedete, die behaglich in der großen Bibliothek neben dem Kamin saß,
hatten Timms Bemühungen zur Folge, daß sie im ersten Augenblick dachte, ein
Fremder hätte das Zimmer betreten. Der Anblick Seiner Lordschaft in großer
Abendtoilette, diamantglitzernd, mit kostbaren, seine Hände halb verdeckenden
Spitzenmanschetten, sorgfältig gepudertem und in ordentliche Lokken frisiertem
Haar, dazu noch ein raffiniertes Pflästerchen im Mundwinkel, raubte ihr
beinahe den Atem, und obwohl sie ihn wegen seiner Aufmachung neckte, dachte sie
insgeheim, daß er phantastisch aussah. Er betrachtete sich in dem Spiegel über
dem Kaminsims und schnitt eine Grimasse. «Ganz wie so ein verdammter Makkaroni,
was?» sagte er. «Wenn ich mich in der guten Juliana nicht restlos täusche,
finde ich sie bestimmt auf irgendeinem Ball oder einer Rout. Gehen Sie nicht zu
Bett, bis ich zurückkomme.»
Er wurde
ohne Schwierigkeit in Mme. de Château-Mornys Hotel vorgelassen, und als er den
obersten Treppenabsatz erreichte, begrüßte ihn Madame selbst mit einem kleinen
Schrei, in dem sich Überraschung und Entzücken mischten, um gleich darauf seine
Entschuldigungen, als ungebetener Gast auf ihrer Gesellschaft zu erscheinen,
mit einem neckischen Lachen abzutun. Es dauerte nicht lang, bis er sich ihrer
gewandt entledigte und den Ballsaal betrat, wo er, die Anwesenden durch sein
Monokel musternd, auf der Schwelle stehenblieb. Seine große, schlanke Gestalt
zog sofort die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. So manchem Bekannten
entfuhr ein Ausruf des Erstaunens; man wollte wissen, wo er so plötzlich
herkam, und mehr als die Hälfte der hier versammelten jungen Damen beschloß,
unbedingt mit ihm zu tanzen, bevor die Nacht um war.
Als der
Marquis im Türrahmen auftauchte, wirbelte Miss Marling gerade in den Armen
eines nach dem letzten Modeschrei gekleideten schlanken jungen Gentleman durch
den Saal, doch sobald sie ihren Cousin erblickte, kreischte sie höchst
undamenhaft auf, faßte ihren Partner an der Hand und lief, ihm ohne viel
Umstände hinter sich herziehend, freudestrahlend auf Mylord zu.
«Vidal!»
rief sie, indem sie ihm beide Hände entgegenstreckte.
Die übrigen
jungen Damen beobachteten das Schauspiel mit neidischen Blicken.
«Etwas mehr
Haltung, Ju, wenn ich bitten darf», sagte Seine Lordschaft, während er zuerst
die eine und dann die andere ihm dargebotene Hand an die Lippen führte.
«Gott sei
mir gnädig, du bist auch da, Bertrand?»
«Es ist ihr
Cousin, der verruchte Marquis», flüsterte eine Brünette einer schmachtenden
Blondine zu.
«Ach, sie
ist zu beneiden!» seufzte die Blondgelockte mit einem seelenvollen Blick auf
Vidal.
Der
modische junge Gentleman machte einen kunstvollen Kratzfuß, wobei er ein
intensiv
Weitere Kostenlose Bücher