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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eskapaden
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sah zu, wie Seine Lordschaft die Tasse austrank. Er beäugte sie
argwöhnisch, doch sie hielt seinem Blick mit Unschuldsmiene stand. Als die
Tasse leer war, stellte er sie nieder. «Mary», sagte er, «kommen Sie ein
bißchen näher und reichen Sie mir Ihre linke Wange.»
    Ein
Grübchen zuckte. «Warum, Sir?»
    «Wissen Sie
es nicht?» fragte Vidal.
    «Aber ja,
Sir», lachte sie. «Sie würden mir nur allzu gern eine Ohrfeige geben.»
    «Das sollte
ich wirklich», sagte er. «Bilden Sie sich ja nicht ein, daß ich mich durch
dieses lammfromme Gesicht täuschen lasse! Wohin gehen Sie?»
    «In den
Salon hinunter, Sir.»
    «Bleiben
Sie da. Ich will mit Ihnen reden.» Das war eindeutig ein Befehl. Miss Challoner
zog leicht indigniert die Brauen hoch. Vidal grinste. «Liebe Mary, bitte
erweisen Sie mir die Ehre, Ihre Gegenwart noch eine Weile genießen zu dürfen.»
    Sie nahm
mit einem leisen Neigen ihres Kopfes wieder Platz. «Gewiß, Sir, nur kann ich
mich nicht entsinnen, Ihnen gestattet zu haben, mich Mary zu nennen.»
    «Nun, dann
gestatten Sie's mir eben jetzt», sagte Vidal. «Sind wir nicht verlobt?»
    Sie
schüttelte den Kopf. «Nein, Mylord.»
    «Dominic»,
verbesserte er sie.
    «Nein,
Mylord», wiederholte Miss Challoner standhaft.
    «Mary»,
sagte Seine Lordschaft, «darf ich Ihnen einen guten Rat geben?» Sie blickte
ihn fragend an. «Hören Sie auf, ewig mit mir zu streiten», sagte der Marquis.
«Es wäre viel besser für Sie, wenn Sie nachgeben würden. Ich fasse zwar
meistens die schönsten Vorsätze, aber es gelingt mir nur höchst selten, mich
daran zu halten, und ich möchte bei Ihnen nicht noch einmal die Geduld
verlieren.»
    «Aber
wirklich, Mylord, ich kann nicht ...»
    «Liebe
Mary», unterbrach er sie, «halten Sie Ihre Zunge im Zaum!»
    «Sehr wohl,
Sir», antwortete Miss Challoner folgsam.
    «Als
erstes», sagte Vidal, «muß ich Sie bitten, das Haus nicht zu verlassen,
solange wir in Dieppe sind. Ich möchte nicht, daß Sie irgend jemand zufällig
hier sieht.»
    Miss
Challoner runzelte nachdenklich die Stirn. «Ich werde Ihren Wunsch natürlich
erfüllen, aber ich glaube nicht, daß einer von meinen Bekannten um diese
Jahreszeit nach Frankreich reisen würde.»
    «Wahrscheinlich
nicht», antwortete der Marquis. «Doch dafür um so mehr von meinen. Zweitens
sehe ich mich zu meinem größten Bedauern nicht in der Lage, Sie sofort nach
unserer Ankunft in Paris zu heiraten.»
    «Wollen Sie
damit sagen, Sir, daß Sie nach längerer Überlegung nun doch meine Pläne für
richtig halten?»
    «Nein,
Madam, keinesfalls», erwiderte er. «Ich meine lediglich, daß die Vermählung
zweier englischer Protestanten in Paris mit gewissen Schwierigkeiten verbunden
ist.»
    «Oh!» sagte
Miss Challoner hoffnungsvoll.
    «Normalerweise
wendet man sich an die Botschaft», erklärte Mylord, «aber da der Botschafter
ein Verwandter von mir ist und ich mindestens drei der Sekretäre persönlich
kenne, ist die Botschaft der letzte Ort, den ich aufsuchen würde.»
    «Wenn»,
sagte Miss Challoner, «Ihnen so davor graut, mich Ihren zahlreichen Freunden zu
präsentieren, Sir, wundere ich mich, ehrlich gestanden, daß Sie derart an Ihrem
Entschluß festhalten, mich zu heiraten.»
    «Und wenn»,
sagte der Marquis nicht ohne Schärfe, «Sie sich die Mühe machen wollten, einmal
den Verstand zu benutzen, über den Sie meiner Meinung nach verfügen, müßten Sie
eigentlich begreifen, daß mein Widerstreben, Sie meinen zahlreichen Freunden zu
präsentieren, einzig und allein Motiven selbstloser Ritterlichkeit entspringt.»
    «Tatsächlich?»
fragte Miss Challoner unverfroren. «Aber eine solche Möglichkeit in Betracht zu
ziehen, durfte man wirklich nicht von mir erwarten, oder?»
    «Oho!»
sagte Seine Lordschaft. «Wir können also auch die Krallen zeigen, wie?» Miss
Challoner enthielt sich einer Antwort. «Um es klar und deutlich auszudrücken,
Miss Challoner – mein geschätztér Cousin, der Botschafter, und seine Sekretäre,
meine liederlichen Freunde, haben nicht selten mein Pariser Haus besucht, wenn
eine Dame darin die Gastgeberin spielte. Für sie wäre die Anwesenheit eines
weiblichen Wesens unter meinem Dach kaum erwähnenswert. Aber wenn ich mit der
Bitte in die Botschaft kommen würde, mich sofort mit einer Dame zu trauen, die
bereits unter meinem Schutze lebt, würde ich dadurch wahrscheinlich ein
mittleres Erdbeben auslösen. In spätestens einer Woche würde sich ganz London
darüber den Mund zerreißen, daß

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