Georgette Heyer
Wantage brach tief
errötend ab. «Oh, ich wollte, ich würde nicht immerzu Dinge sagen, die ich
nicht sagen soll», sagte sie sehr gedemütigt. «Wirklich, ich hatte nicht die
Absicht, eine so falsche Katze zu sein.»
«So!» sagte
Seine Lordschaft. «Das liegt also in der Luft, was? Ich habe es übrigens schon
gewußt», setzte er hinzu und gab sein großartiges Getue wieder auf. «Und du
kannst deiner Cousine Cassy mit einem schönen Gruß sagen, daß sie sich die
Mühe sparen kann, denn so weit ist es mit mir noch nicht gekommen. Aber damit
brauchst du nicht gleich herauszuplatzen, wenn du sie zum erstenmal
wiedersiehst. Und daß du kein Wort mehr über meine Ballettänzerin sprichst! Ich
habe gute Lust, ins Haus hinaufzugehen und ein Wörtchen mit Edwin zu reden. Im
ganzen Land über meine Angelegenheiten herumzutratschen! Jetzt weiß ich
wenigstens, woher es mein verdammter Onkel hat, der seine Nase immer in alles
hineinsteckt. Nichts als ein Haufen Lügen!»
«Ja, hast
du denn keine Ballettänzerin?» fragte Miss Wantage. «Wenn du nämlich keine
hast, werde ich selbst es Isabella sagen, und vielleicht wirst du dann wieder
froh und glücklich sein.»
«Du hast
über diese Angelegenheit kein Wort zu sprechen», sagte der gepeinigte Viscount.
«Ja, aber,
Sherry ...»
«Nein, habe ich gesagt! Erstens spricht
eine wohlerzogene junge Dame nicht über derartige Dinge; und zweitens – ach,
das verstehst du nicht!» Da begegnete er aber dem fragenden Blick eines
Augenpaars, das dem seinen so aufrichtig entgegensah, daß er sein Gehirn nach
einer plausiblen Erklärung zermarterte. «Zum Kuckuck, Hero, es ist nichts dran.
Jeder junge Mann bevorzugt dieses oder jenes Mädchen, aber das hat nicht das
geringste zu bedeuten, das kannst du mir glauben.»
Miss
Wantage war völlig bereit, es ihm zu glauben, aber sie hatte doch das Gefühl,
daß die Frage nicht ganz erschöpft sei. «Gut, Sherry, aber vielleicht hast du
es Isabella nicht richtig erklärt. Glaubst du nicht ...»
«Nein, das
glaube ich nicht», sagte Seine Lordschaft hastig. «Der Grund ist eben, daß
Bella sich nicht einen Pfifferling aus mir macht.»
Miss
Wantage, der es schwerfiel, so etwas zu glauben, gab ihrer Meinung Ausdruck,
daß Isabella wahrscheinlich Kopfschmerzen gehabt habe.
«Nein, so
war das nicht. Sie war zwar – da du mich darauf aufmerksam machst – ein wenig
blaß, aber so unvergleichlich wie immer!» setzte er loyalerweise hinzu.
«Sie ist
wirklich sehr schön», sagte Miss Wantage. «Sie brachte es sogar fertig, mit
Masern hübsch auszusehen.»
«Masern?» wiederholte der
Viscount wie betäubt. «Aber sie hat doch nie im Leben auch nur das kleinste
Fleckchen gehabt.»
«Aber sie
hat doch nicht die gewöhnlichen Pickel, wie sie Sophy hat, sondern die, die man
eben bei Masern hat.»
«Isabella
hat doch keine Masern gehabt!»
«Doch»,
erwiderte Hero. «Darum hat sie ihre Mama doch aufs Land gebracht. Sie hat sich
schrecklich krank gefühlt und, wie Mrs. Milborne meiner Cousine Jane erzählte,
überall Flecken bekommen.»
«Nein»,
sagte der Viscount angewidert.
«Bei Masern
ist das so, weißt du», erklärte Hero.
«Natürlich
weiß ich das. Aber Isabella kann doch nicht Masern gehabt haben! Sie haben
doch gesagt, daß sie durch all die Londoner Amüsements erschöpft wäre.»
Hero sah
überrascht auf. «Das verstehe ich nicht. Warum haben sie das nur gesagt, wo sie
doch genau gewußt haben, daß es Masern waren. Zwei Kammerzofen und ein Page
haben sich auch angesteckt.»
«Du lieber
Gott», sagte der Viscount und ein Grinsen verscheuchte seinen bestürzten Blick.
«Also darum wollten sie niemanden empfangen. Armes Mädel! Bei Jupiter, ich gäbe
viel darum, das Gesicht Severns zu sehen, wenn er es erführe. Verteufelt
romantischer Bursche, dieser Severn. Das wäre ihm gräßlich.»
«Ist das
der Herzog?» erkundigte sich Hero interessiert.
Aber ihren
Gefährten überfiel neuerdings grauer Trübsinn. Er nickte.
«Wird –
wird sie ihn heiraten, Sherry?»
«Ich glaube
nicht, daß er den Mut aufbringen wird», erwiderte der Viscount aufrichtig.
«Nicht, daß es mir etwas ausmacht. Meine Hoffnungen sind gründlich
vernichtet.»
«Oh,
Sherry, tut's sehr weh?» fragte Hero, der das Herz fast brach.
«Natürlich
tut's mir weh», sagte Seine Lordschaft kurz. «Mein ganzes Leben ist
vernichtet. Könnte ebensogut ohne weiteres zum Teufel gehen. Und das wird
höchstwahrscheinlich auch eintreten, denn wenn ich mein Vermögen
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