Georgette Heyer
zum Heiraten überhaupt viel zu jung. Zum Kuckuck, du bist
ja noch das reinste Baby!»
«Augusta
Yarford hat mit knapp siebzehn Jahren geheiratet», brachte Miss Wantage
hoffnungsbang hervor.
«Das ist
etwas ganz anderes. Sie hat zwei Saisons mitgemacht, und wenn es je ein Mädchen
gab, das ganz genau Bescheid wußte, so ist es Gussie
Yarford. Du bist aber noch nicht in die Gesellschaft eingeführt und hast nie
jemanden kennengelernt außer deinem feinen Cousin Edwin und dieser halben
Portion von einem Pfarrer.»
«Und dich,
Sherry», sagte sie und lächelte ihn schüchtern an.
«Ja, aber
ich zähle doch nicht, wenigstens nicht mehr, als wenn ich dein Bruder wäre.»
Plötzlich überkamen ihn Gewissensskrupel. «Ich glaube, daß ich es doch nicht
tun sollte», sagte er in einem unklaren Gefühl von Ritterlichkeit. «Ich mache
mir nichts draus, wenn die Leute mich einen Wüstling nennen, aber hol's der
Henker, wenn ich mir nachsagen lasse, daß ich mir die Unwissenheit eines
jungen Dings zunutze gemacht habe, das kaum den Kinderschuhen entwachsen ist.»
Miss
Wantage faltete die Hände im Schoß und sagte etwas atemlos: «Sherry, wenn du
glaubst, daß ich zu dir passen würde, dann bitte – bitte heirate mich, denn ich
weiß bestimmt, daß ich es lieber täte als alles andere auf der Welt.»
«Ja, aber
du hast nicht mehr Ahnung davon, was das zu bedeuten hat, als – als dieser
Sperling da», sagte der Viscount ungerührt. Er dachte einen Moment darüber
nach, dann fügte er hinzu: «In Wirklichkeit sogar noch weit weniger.»
«Aber ich
wäre so gern immer mit dir beisammen, Sherry, weil du mit mir nie böse bist,
und außerdem würde es mir soviel Spaß machen, ich würde endlich nach London
kommen und alle die Dinge sehen, von denen ich bisher nur gehört habe, und in
Gesellschaften gehen und auf Bälle, und ich würde nicht ausgezankt oder in die
scheußliche Schule geschickt werden und – Sherry, es war nicht n-nett von
d-dir, mir das in den Kopf zu setzen, wenn du es n-nicht wirklich meinst.»
Der
Viscount klopfte ihr ziemlich gedankenlos auf die Schulter, und ein etwas
reuiges Lächeln umspielte seine Lippen. So leichtsinnig er auch war, verfehlte
diese ungekünstelte Rede nicht ihre Wirkung, und zwar in ihrer vollen
Bedeutung. «O Gott!» sagte er.
Miss
Wantage schluckte eine Träne hinunter und sagte tapfer: «Du hast ja bloß Spaß
gemacht. Das hätte ich natürlich wissen müssen. Ich wollte dich aber wirklich
nicht ärgern.»
«Nein, ich
habe keinen Spaß gemacht», sagte Seine Lordschaft. «Zum Kuckuck, warum sollte
ich dich eigentlich nicht heiraten? Ich weiß, daß du noch keine Zeit hattest,
dich mit deinen Gefühlen auf eine Person festzulegen, aber, zehn zu eins, du
wirst es auch nie tun, und auf alle Fälle wirst du sehen, daß ich nicht zu
jenen Ehemännern gehöre, die wegen jeder Kleinigkeit einen Wirbel machen. Ich
werde mich nie in deine Vergnügungen einmischen, meine Liebe, sofern du dabei
diskret bleibst. Du brauchst auch nicht zu fürchten, daß ich dir meine Aufmerksamkeiten
aufzwingen werde. Ich habe dir ja gesagt, daß ich mit der Liebe fertig bin.
Wir werden eine reine Vernunftehe führen. Verdammt, ich kann nicht so
romantisch sein, wie du es gewiß gern hättest, aber dafür kannst du nicht
leugnen, daß du es bei mir bedeutend amüsanter haben wirst, als wenn du
Erzieherin geworden wärest.»
Miss
Wantage nickte inbrünstig; und ihre Augen leuchteten wie Sterne. «Ach, Sherry,
ich finde es sehr romantisch», sagte sie.
«Das kommt
daher, weil du nichts davon verstehst», erwiderte Sherry zynisch. «Aber mach
dir nichts draus. Auf alle Fälle wird es dir Spaß machen, in London ein wenig
Aufsehen zu erregen.»
Miss
Wantage stimmte dieser Aussicht mit großer Begeisterung zu. Im nächsten
Augenblick fiel ihr etwas ein, das den strahlenden Glanz ihrer Augen trübte.
«Ach, wie gern würde ich es tun! Sie werden es uns aber nie erlauben, Sherry.»
«Wer sollte
uns daran hindern?» fragte er. «Das ist ein Punkt, den mein Vater in seine
verdammten Bestimmungen nicht aufgenommen hat. Ich kann heiraten, wen ich will,
und niemand hat ein Wort dreinzureden.»
«Sie werden
es aber dennoch tun», sagte Hero ahnungsvoll. «Ach, Sherry, du weißt ja
ebensogut, daß sie es tun werden. Deine Mama wünscht eine brillante Partie für
dich, und sie wird alles tun, was in ihrer Macht steht, um zu verhindern, daß
du dich an mich wegwirfst. Du weißt doch, daß ich kein Vermögen
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