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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lord Sherry
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zur
sofortigen Flucht nach London zu veranlassen.
    Das erste,
was dem Viscount nach seiner Rückkehr ins Hotel seiner Mutter ins Auge fiel,
war eine zierliche rechteckige Karte, die auf dem Tisch des Entrée lag. Er sah
sie flüchtig an und seine Laune besserte sich durchaus nicht, als er entdeckte,
daß sie in schwungvoller Lithographie den Namen Sir Montagu Revesby trug. Er
begab sich in das obere Stockwerk, um seinen Reiseanzug mit einer Kleidung zu
vertauschen, die der Dinnertafel seiner Mutter besser entsprach. Sein
kindliches Pflichtgefühl reichte jedoch nicht bis zu Strümpfen und Escarpins,
die sie altmodischerweise als de rigueur betrachtete. Er schloß einen
Kompromiß, indem er ein Paar vorzüglich sitzender Beinkleider wählte, die
mittels eines Riemchens unter den Fußsohlen strammgezogen wurden; dazu trug er
einen seiner besten Röcke von Stulz, aus besonders feinem Tuch. Seine Mutter,
die sich in exzellenter Stimmung zu befinden schien, hieß ihn mit liebevollem
Lächeln willkommen und erklärte, als er sich wegen seiner Verspätung flüchtig
entschuldigte, es habe nichts auf sich. Er schritt auf seinen Platz an der
Spitze der Tafel zu und sagte dabei mißmutig: «Ich sehe, Bella, daß dieser
Bursche keine Zeit verloren hat, dir seinen Besuch zu machen.»
    «Falls du
Sir Montagu meinst», erwiderte Miss Milborne ruhig, «so war er so
liebenswürdig, uns zu besuchen, um zu erfahren, ob er uns irgendwie
zu Diensten stehen könne. Wir sind ihm bereits für die Blumen, die uns hier
erwartet haben, zu Dank verpflichtet.»
    «Ja.
Tatsächlich», stimmte Lady Sheringham ihr bei. «Ein so reizender Mensch! Mit
so ausgezeichneten Manieren: alles an ihm verrät den Gentleman! Ich bin
überzeugt, daß er stets liebenswürdig und höflich ist; und stell dir nur vor,
Anthony, er war sogar imstande, mich wegen der Behandlung, der ich mich
unterziehen muß, vorzüglich zu beraten. Es scheint, daß sich hier ein Dr.
Wilkinson befindet, der vor kurzem die Abbey-Bäder erworben hat, welche mir,
wie Sir Montagu meinte, besonders guttun würden. Weißt du, es sind Privatbäder,
und anscheinend hat dieser Dr. Wilkinson einen besonders interessanten Plan;
er beabsichtigt in der Abbey Street eine Trinkhalle zu erbauen, in der man vier
verschiedene Brunnen trinken kann! Stell dir das nur vor! Außerdem ist dieser
Arzt ein großer Anhänger der russischen Dampfbäder, von denen ich bisher wohl
noch nie etwas gehört habe, die mir aber bestimmt außerordentlich guttun
würden. Ich weiß gar nicht, wann mir jemand schon so gut gefallen hat. Sir
Montagu sprach auch über dich, lieber Anthony, und zwar in der liebevollsten
Weise.»
    «Ich wäre
ihm dankbar, seine Zuneigung für jene aufzusparen, die sie zu schätzen wissen»,
erwiderte Seine Lordschaft unmißverständlich. Es war ihm klar, daß es Sir
Montagu nicht schwergefallen war, Lady Sheringham zu durchschauen, und daß er
keine Mühe gescheut hatte, sich bei ihr beliebt zu machen. Die Vorstellung, daß
Revesby die Frechheit besessen hatte, das Haus zu betreten, obwohl bekannt
war, daß auch er dort wohnte, ärgerte ihn vorübergehend, da ihn aber eine weit
wichtigere Angelegenheit beunruhigte, verschwendete er auf diesen Gedanken
nicht mehr als einige Augenblicke. Er bemerkte, daß Miss Milborne ihre Haltung
nicht nur völlig wiedererlangt hatte, sondern sogar imstande war, ihr Dinner
mit ziemlich gutem Appetit zu sich zu nehmen. Er selbst kostete nur von den
Speisen, ließ verschiedene Gerichte überhaupt vorbeigehen, und nahm wenig
Anteil an dem Gespräch der beiden Damen, die für die nächste Zeit Pläne
machten. Er wunderte sich tatsächlich, daß sich Miss Milborne so ruhig über
verschiedene ihrer Bekannten zu unterhalten vermochte, die sich eben in Bath
aufhielten, über ihre Absicht, sich für die Bälle im Kurhaus eintragen zu
lassen, die beste Leihbibliothek aufzusuchen, und über ein Dutzend anderer
ebenso belangloser Kleinigkeiten.
    Sobald das
Dinner beendet war, bat er um die Erlaubnis, sich den Damen nicht anschließen
zu müssen, und fragte den Butler, ob sein Reitknecht von dem Auftrag, den er
ihm erteilt hatte, zurückgekehrt sei. Jason wartete bereits und wurde
unverzüglich geholt. Er grinste seinem Gebieter fröhlich entgegen und
verkündete, daß Lord Wrotham, den er als mürrischen Kerl bezeichnete, im White
Hart in der Stall Street abgestiegen sei. Der Viscount vertauschte seine
Schuhe mit einem Paar glänzender hessischer Stulpenstiefel, verlangte

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