Georgette Heyer
Emily, und wenn der das konnte, warum sollte ich es
nicht auch?»
Emily, leicht benommen von seinem Redefluß,
konnte keinen Grund sehen, warum er nicht wirklich sollte, und schüttelte nur
zweifelnd den Kopf.
«Nein? Nun, wir werden ja sehen!»
sagte Gerard. «Ich rechne nicht damit, wohlgemerkt, denn der Geschmack des
Publikums ist so schlecht – aber damit brauchen wir uns momentan nicht zu
beschäftigen. Was wir tun müssen, ist folgendes: du mußt diese elende Verlobung
lösen, das steht einmal fest! Ich selbst gehe nach Cambridge zu meinem dritten
Jahr, und sofort, wenn ich von dort abgehe, und das wird im kommenden Juni
sein, werde ich mir eine Empfehlung an Liverpool verschaffen – das jedenfalls
wird nicht schwer sein! – und mich auf eine erfolgreiche Laufbahn einrichten.
Daraufhin, im November, wenn ich großjährig bin und deine Mama es
aufgegeben hat, einen Gatten für dich zu finden, der in ihren Augen passend ist
– nur, solltest du einen Heiratsantrag bekommen, mußt du ihn energisch
ablehnen, weißt du! –, werde ich wieder um deine Hand anhalten, und sie wird
nur zu froh darüber sein! Und was hältst du davon, Liebste?»
Das sagte sie ihm nicht. Sie war ein
sehr weichherziges Mädchen, abgesehen davon, daß ihr fast jeglicher Mut abging,
und sie schrak davor zurück, ihm ihre Meinung über einen Plan zu sagen, der
sich ihr in keiner Weise empfahl. Sie merkte, er hegte keinerlei Zweifel daran,
daß ihre Gefühle ihm gegenüber dieselben waren wie noch im Frühjahr; und ihm
beizubringen, daß, obwohl sie ihn immer noch sehr gut leiden mochte, sie
durchaus keinen Wunsch empfand, ihn zu heiraten, erschien ihr eine unmögliche
Aufgabe. Sie suchte Zuflucht im Ausweichen, sprach von kindlichen Pflichten und
sagte, Lady Serena habe ihr gesagt, sie sei eine Gans, wenn sie sich vor Lord
Rotherham fürchte.
«Lady Serena!» stieß er hervor.
«Bitte sehr, warum hat denn sie ihn sitzenlassen? Ich möchte ihr nur zu gern
diese Gewissensfrage stellen!»
«Nun, sie wohnt in Laura Place, mit
Lady Spenborough», sagte Emily zweifelnd, «aber glaubst du, daß du das
solltest? Sie könnte es für eine Frechheit halten. Außerdem hat sie mir selber
gesagt, sie habe die Verlobung gelöst, weil sie und Lord Rotherham nicht
zusammenpaßten. Sie stritten so oft, daß sie dessen ganz müde wurde, aber ich
kann mir nicht vorstellen, daß sie Angst vor ihm hatte! Sie hat überhaupt vor
nichts Angst!»
«Lady Serena ist in Bath?» sagte
Gerard, ziemlich wenig entzückt. «Gott, wenn sie es bloß nicht wäre!»
«Magst du sie nicht?» fragte Emily
entsetzt.
«O doch! Na ja – ich mag sie
ziemlich! Aber hoffentlich sagt sie Rotherham nicht, daß ich hier bin! Du mußt
wissen, obwohl sie ihn sitzenließ, sind sie immer noch erstaunlich gut
miteinander, und man kann nie sagen, was sie sich einfallen läßt und tut, denn
sie ist wirklich sehr sonderbar und unberechenbar. Auf keinen Fall, Emily,
darfst du ihr unsere gegenseitige Zuneigung enthüllen!»
«O nein!» sagte sie und war froh,
daß sie wenigstens eine seiner Forderungen erfüllen konnte.
«Sollte ich ihr zufällig begegnen,
werde ich sagen, daß ich nach Bath gekommen sei, um einen Freund zu besuchen.
Der einzige Haken daran ist nur, Vetter Rotherham hat mir verboten, hierher zu
kommen, daher ...»
«Er hat es dir verboten?» rief sie
neuerlich bestürzt. «Du hast ihn doch nicht etwa besucht?»
«Und ob ich ihn besucht habe!»
antwortete er und warf sich in die Brust. «Als Lady Laleham es ablehnte, mir
deinen Aufenthaltsort zu verraten ...»
Sie unterbrach ihn mit einem kleinen
Schrei. «Du warst in Cherrifield Place? O
Gerard, wie konntest du nur! Was soll ich bloß tun? Wenn Mama erfährt ...»
«Nun, jetzt kann man nichts mehr
machen», sagte er ziemlich mürrisch. «Wie hätte ich dich sonst finden sollen?
Und wenn ich Bath sofort verlasse – das heißt, sobald wir uns einig sind, was
wir beide tun wollen –, wird sie sich sehr wahrscheinlich nichts über meinen
Besuch denken. Und wenn doch, dann glaube ich, solltest du ihr sagen, daß du
auf meine Werbung nicht hörtest, und dann wird alles gleich in Ordnung sein.»
«Weiß Lord Rotherham, daß du da
bist?» fragte sie ängstlich.
«Nun, ich sagte ihm, daß ich
wahrscheinlich herkomme, aber zehn zu eins gewettet, glaubte er nicht, daß ich
es wagen würde, ihm ungehorsam zu sein. Ja, ich bin sogar überzeugt davon! Er
ist derart von sich eingenommen – aber ich bilde mir ein, ich habe ihm
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