Georgette Heyer
gezeigt,
daß er mich jedenfalls nicht unterkriegen kann! Ich habe keine Angst vor ihm!
Obwohl ich nicht gerade in Bath sein möchte, falls es ihm einfällt, dich zu
besuchen», sagte Gerard vollkommen aufrichtig. «Das soll natürlich nicht
heißen, daß es mir nicht lieber wäre, wenn ich ihm jetzt von Mann zu Mann
entgegentreten könnte, aber die Sache ist die, daß es sehr wahrscheinlich alles
verderben würde, wenn ich es täte», fügte er etwas kleinlauter hinzu.
Emily, die beide Hände mit einer
geistesabwesenden Geste an die Wangen preßte, beachtete dies kaum. «O Himmel,
was soll ich tun? Oh, wie konntest du nur, Gerard?»
«Aber ich habe dir doch schon
gesagt, was du tun mußt!» betonte er. «Du mußt dich nur resolut weigern, die
Verlobung aufrechtzuerhalten, und obwohl es vielleicht im Anfang ein bißchen
unangenehm sein wird, gibt es nichts, was entweder deine Mama oder Rotherham
unternehmen könnten, um dich zum Nachgeben zu zwingen, merke dir das! Natürlich
ginge es nicht an, daß du enthüllst, daß du mit mir verlobt bist. Es ist doch
zu gemein, daß ich noch nicht großjährig bin! Aber wenn ich es wäre und
Rotherham keine legale Macht über mich hätte, brauche ich dir nicht zu sagen,
daß ich an deiner Seite bliebe und darauf schauen würde, daß du nicht
gescholten und tyrannisiert wirst! Aber es ist nur für eine kurze Zeit,
Liebste, und dann werden wir heiraten!»
Aber Emily, die keinerlei Trost aus
dieser Aussicht zu schöpfen vermochte, bat ihn nur, sie zur Großmama
zurückzubringen, und erklärte sich außerstande, sich zu irgendeinem Handeln zu
entschließen, bevor sie nicht nachgedacht hatte.
Er konnte keine Fehler an seinem Plan entdecken, aber er wußte, daß
Frauenzimmer sehr leicht vom Unerwarteten erschreckt werden, abgesehen davon,
daß sie keinen höheren Verstand besitzen und nicht imstande sind, blitzartig
mit allen Aspekten eines Problems fertig zu werden. So sagte er beruhigend,
sie müsse alles, was er gesagt hatte, erwägen und ihm am nächsten Tag das
Resultat ihrer gedanklichen Nachtarbeit mitteilen. Wo sollten sie einander
treffen?
Emily neigte zuerst zu der Meinung,
sie sollten einander überhaupt nicht treffen, aber da er auf seinem Entschluß
beharrte, sagte sie schließlich: «O Gott! Ich bin überzeugt, ich sollte nicht –
oh, ich weiß nicht, wie es gelingen soll, außer Großmama läßt mich in die
Bibliothek von Meyler gehen, während sie in der Trinkhalle ist, was ich oft
tue, weil es gleich daneben ist, weißt du, und ...»
«Aber in einer überfüllten
Bibliothek können wir nicht reden!» wandte Gerard ein. «Ich sage dir etwas,
Emily! Du mußt vorgeben, daß du ein Buch umtauschen willst, statt dessen aber
schlüpfst du fort in die Abtei! Ich werde dort sein, und es ist nur ein kurzer
Weg!»
19
Emily hielt zwar die Verabredung ein,
aber es kam nur wenig bei dem heimlichen Stelldichein heraus. Sie kam zitternd
vor Unruhe am Tor der Abtei an, weil sie unterwegs eine von Mrs. Floores
Bekannten erblickt hatte und nicht sicher war, ob diese sie nicht auch gesehen
hatte. Umsonst versicherte ihr Gerard, daß der Anblick einer jungen Dame, die
ohne Begleitung die kurze Entfernung zwischen der Trinkhalle und der Abtei
zurücklegte, selbst die prüdeste Person nicht schockieren würde – Emily konnte
sich nicht beruhigen. Er zog sie in die Abtei, aber wie vorauszusehen gewesen
wäre, war sie voller Besucher, die in ihr herumwanderten und ihre Schönheiten
und Altertümer besichtigten. Selbst Gerard hatte nicht das Gefühl, daß er gerade
einen idealen Platz für das Rendezvous gewählt hatte; und Emily war nur
imstande, ihm mit halbem Ohr zuzuhören, so sehr war sie damit beschäftigt, nach
weiteren Freunden von Mrs. Floore Ausschau zu halten. Auf jeden Fall war es nur
zu klar, daß sie sich immer noch im Zustand kläglichster Unentschlossenheit
befand, und es endete damit, daß sie sich trennten, ohne etwas festgelegt zu
haben, außer, daß sie einander am Abend im Theater wieder treffen würden. Mr.
Goring wollte im Lauf des Tages nach Bath kommen und hatte Mrs. Floore und
Emily eingeladen, mit ihm in die Loge zu gehen, die er besorgt hatte. Das war genau die
Sorte Abendunterhaltung, die Mrs. Floore behagte, denn nicht allein, daß ihr
alles Spaß machte, wo etwas zu sehen war, konnte sie das Neue Theater, das auf
der Südseite des Beaufort Square lag, ohne Kutsche erreichen. Wenn sich die
Leute wunderten, warum sie gerade am Beaufort Square wohnte, wies
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