Georgette Heyer
großen
schwarzen Hut angetan, dessen lange Feder auf ihre Schulter niederfiel.
«Ja,
Madame, aber nur, wenn Sie mich nicht brauchen, Monseigneur gebot mir, Sie zu
fragen.»
Lady Fanny
knabberte an einem Stück Zwieback, hingerissen in den Anblick des Bettpfostens
versunken.
«Nein,
Kind, ach nein. Warum sollte ich dich brauchen? Gott, was für Röschen du auf
deinen Wangen hast, ich würde mein bestes Halsband für deinen Teint geben.
Hatte ihn ja gewiß auch dereinst. Geh nur, meine Liebe. Laß Justin nicht
warten. Ist Rupert schon auf?»
«Sein
Diener kleidet ihn an, Madame.»
«Ich werde
ihm im Gastzimmer Gesellschaft leisten», sagte Milady und schob Tasse und Kanne
beiseite. «Fort mit dir, Kind! Halt! Sei noch so gut und schicke mir Rachel,
meine Liebe.»
Léonie
entfernte sich hurtig. Eine halbe Stunde später trippelte Milady, nachdem sie
ungewöhnliche Eile an den Tag gelegt hatte, ins Gastzimmer, in ein geblümtes
Musselingewand gekleidet, das blonde Haar ungepudert unter einem kleidsamen
Häubchen versteckt. Rupert blickte auf, als sie eintrat, und legte das Buch
weg, in das er gähnend vertieft gewesen war.
«Himmel,
bist du aber früh auf, Fan!»
«Ich wollte
dir Gesellschaft leisten», gurrte sie und setzte sich neben ihn ans Fenster.
«Die Wunder
nehmen kein Ende», sagte Rupert. Er hatte das Gefühl, Fannys Liebenswürdigkeit
nicht unvergolten hinnehmen zu dürfen. «Du siehst heute morgen wie zwanzig
aus, meiner Seel, Fan!» sagte er entgegenkommend.
«Mein
lieber Rupert! Findest du wirklich?»
«Ja – aber
genug damit! Léonie ist mit Seiner Gnaden ausgeritten.»
«Rupert», sagte Milady.
«Ja, was
denn?»
Fanny
blickte auf.
«Ich habe
mir in den Kopf gesetzt, daß Justin dieses Kind heiraten soll.»
Rupert ließ
sich nicht aus der Ruhe bringen.
«Glaubst
du, wird er's auch?»
«Mein
lieber Junge, er ist bis über die Ohren in sie verliebt!»
«Ich weiß –
ich bin nicht blind, Fan. Aber verliebt war er vorher auch schon.»
«Du kannst
wirklich aufreizend sein, Rupert! Was hat das bitte damit zu tun?»
«Er hat bis
jetzt keine einzige geheiratet», sagte Milord.
Fanny tat
so, als sei sie schockiert.
«Rupert!»
«Sei doch
nicht zimperlich, Fanny! Das hat Edward auf dem Gewissen, ich weiß.»
«Rupert,
falls du beabsichtigst, unfreundlich über den lieben Edward ...»
«Der Teufel
hole Edward!» sagte Rupert munter.
Fanny
blickte ihn ein Weilchen schweigend an, dann lächelte sie plötzlich.
«Ich bin
nicht gekommen, um mit dir zu streiten, abscheulicher Junge. Justin würde
Léonie nie zu seiner Geliebten machen.»
«Nein,
verdammt, du hast wohl recht. Er ist so seriös geworden, daß man ihn kaum
wiedererkennt. Aber heiraten ...! So leicht läßt er sich wieder nicht fangen.»
«Wer
spricht von fangen?» rief Milady. «Das Kind ist keineswegs auf eine Heirat mit
ihm aus. Und deswegen will er sie zu seiner Frau machen, gib nur acht!»
«Möglich»,
sagte Rupert zweifelnd. «Aber – Herrgott, Fanny, er ist vierzig, und sie ist
ein richtiges Baby!»
«Sie ist
zwanzig, mein Lieber, oder fast zwanzig. Es wäre himmlisch! Sie wird ihn stets
für wundervoll halten und keinen Anstoß an seinen Sitten nehmen, denn sie ist
nicht so geartet; und Justin – oh, er wird der beste und der idealste Gatte
Londons sein! Sie wird stets sein 'Kind' und er ihr 'Monseigneur' bleiben, das
möchte ich schwören. Ich setze meinen Sinn darauf, daß er sie heiratet. Und was
sagst du dazu?»
«Ich? Mich
würde es freuen, aber – Herrgott, Fanny, wir wissen doch nicht, wer sie ist!
Bonnard? Hab den Namen noch nie gehört, er ist ein Alastair, Herzog von Avon,
und es ziemt ihm nicht, einen Niemand zu heiraten.»
«Puh!» rief
Milady. «Möchte meinen Ruf verwetten, daß sie nicht niedrigen Geblüts ist.
Irgendein Geheimnis ist damit verknüpft, Rupert.»
«Jeder
Dummkopf könnte das erkennen», sagte Rupert gradeheraus. «Und wenn du mich
fragst, Fanny, würde ich sagen, daß sie mit Saint-Vire verwandt ist.» Er lehnte
sich in seinem Stuhl zurück und erwartete, seine Schwester überrascht auffahren
zu sehen. Doch dies trat nicht ein.
«Wo wäre
mein Verstand geblieben, hätte ich das nicht schon erkannt?» fragte Fanny.
«Sobald ich hörte, daß Saint-Vire der Entführer war, hatte ich die feste
Überzeugung, sie sei ein illegitimes Kind von ihm.»
Rupert
sprudelte hervor: «Herr im
Himmel, willst du, daß Justin so jemand heirate?»
«Ich fände
nichts daran», sagte Milady.
«Das
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