Georgette Heyer
nicht schon früher an die Saphire gedacht?
Dort ist die Tür, Kind.»
Noch immer
betäubt von der unerwarteten Handlungsweise seines Herrn, flog Léon zur Tür, um
sie für ihn aufzureißen. Avon trat durch sie und bestieg die wartende Kutsche.
Léon blickte fragend zu ihm auf; er wußte nicht, ob er auf den Bock oder zu
seinem Herrn steigen solle.
«Ja, du
kannst hereinkommen», sagte Avon, die unausgesprochene Frage beantwortend.
«Sage dem Kutscher, daß die Fahrt beginnen kann.»
Léon
entledigte sich des Befehls und sprang eilig in die Kutsche, denn er kannte
Avons Pferde. Mit einem Satz schwangen sich die Kutscher auf ihre Sitze, die
Pferde setzten sich ungeduldig in Bewegung, und die Kutsche schwankte in einem
Bogen auf das schmiedeeiserne Gittertor zu. Sie brausten hinaus und die schmale
Straße so schnell hinab, als es irgend möglich war. Doch die Enge der Straße,
das schlüpfrige Kopfsteinpflaster und die mannigfachen Windungen und Kehren
setzten ihrer Fortbewegung wohl oder übel Hindernisse entgegen, und erst auf
der Straße, die nach Versailles führte, konnten die Pferde ihre Kraft und
Schnelligkeit voll entfalten. Sie sausten in einem Gleichmaß dahin, als hätten
sie sich zu einem einzigen Pferd vereint; die Kutsche schaukelte in einem
wahnwitzigen Tempo dahin und legte sich bei den schlimmsten Unebenheiten der
Straße ein wenig zur Seite; doch sie war so gut gefedert, daß ihre Insassen
den größten Teil der Strecke den Eindruck hätten haben können, die Straße
bestehe aus Glas.
Es
verstrich geraume Zeit, bevor Léon Worte zu finden vermochte, um dem Herzog für
die Kette zu danken. Er saß auf der Kante des Sitzes neben seinem Herrn,
betastete ehrfürchtig die facettierten Steine und versuchte auf seine Brust
hinabzuschielen, um sich von der Wirkung der Kette zu überzeugen. Schließlich
holte er tief Atem und wendete sich seinem Gebieter zu, der, in die Samtpolster
zurückgelehnt, müßigen Blicks die Landschaft an seinem Auge vorüberziehen ließ.
«Monseigneur
– das ist – viel zu kostbar – für mich», sagte Léon heiser.
«Findest
du?» Avon sah seinen Pagen mit einem belustigten Lächeln an.
«Ich – ich
möchte das lieber nicht tragen, Monseigneur. Wenn – wenn ich's verlöre?»
«Dann wäre
ich gezwungen, dir einen anderen Schmuck zu kaufen. Wenn du willst, kannst du
ihn verlieren. Er gehört dir.»
«Mir?» Léon
schlang die Finger ineinander. «Mir, Monseigneur? Das kann doch nicht
Ihr Ernst sein! Ich – ich habe nichts getan – könnte nichts tun, um solch eine
Gabe zu verdienen.»
«Dir ist
offenbar noch nicht aufgefallen, daß ich dir keinen Lohn zahle? Irgendwo in
der Bibel – weiß nicht wo – steht, daß jeder Arbeiter seines Lohnes wert ist.
Eine sichtlich meist unzutreffende Betrachtung, selbstverständlich, doch ich
habe beschlossen, dir diese Kette als – äh – Lohn zu geben.»
Léon riß
nach diesen Worten seinen Hut herunter, zog die Kette über seinen Kopf und warf
sie dem Herzog hin. Schwarz brannten seine Augen im kreideweißen Gesicht.
«Ich will
keine Bezahlung! Ich würde mich für Sie zu Tode arbeiten, aber bezahlt werden –
nein! Tausendmal nein! Sie machen mich zornig!»
«Unverkennbar»,
murmelte Seine Gnaden. Er griff nach der Kette und begann mit ihr zu spielen.
«Und dabei hatte ich mir vorgestellt, du würdest
dich freuen.»
Léon fuhr
sich mit der Hand über die Augen. Seine Stimme zitterte, als er antwortete.
«Wie
konnten Sie das nur voraussetzen? Ich – ich war nie auf Bezahlung aus! Ich
diente Ihnen aus Liebe und – und aus Dankbarkeit, und – Sie geben mir eine
Kette! Als – als dächten Sie, ich würde künftighin nicht mehr gut für Sie
arbeiten, wenn ich keine Bezahlung bekäme!»
«Hätte ich
dies gedacht, würde ich sie dir nicht gegeben haben», sagte Seine Gnaden
gähnend. «Vielleicht interessiert es dich zu erfahren, daß ich es nicht gewohnt
bin, meine Pagen in solchem Tone mit mir sprechen zu hören.»
«Verzeihung,
Monseigneur», lispelte Léon. Sein Gesicht abwendend, biß er sich auf die
Lippen.
Avon
blickte ihn eine Zeitlang schweigend an, doch dann entlockte ihm das zwischen
Hilflosigkeit und verletzter Würde wechselnde Mienenspiel seines Pagen ein
leises Lachen, und er zupfte mahnend an einer der glänzenden Locken.
«Erwartest
du etwa meine Entschuldigung, liebes Kind?»
Léon stieß
sein Haupt zur Seite und fuhr fort, aus dem Fenster zu starren.
«Du bist
sehr hochmütig.» Die spöttische
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