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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Page und die Herzogin
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verfolgt hatte, trat nun mit in die Hüfte
gestemmten Armen näher. Unordentlich hingen die schmutzigen Kleider an ihr
herab, ein tiefer Ausschnitt enthüllte die schlaffen Brüste, an ihrer Wange
haftete ein Rußfleck.
    «Wenn diese
kleine Schlange was gegen uns gesagt hat», begann sie mit schriller Stimme,
doch Avons erhobene Hand schnitt ihr die Rede ab.
    «Meine gute
Frau, ich wünsche keineswegs mit Ihr zu sprechen. Sie kann zu Ihren
Schmortöpfen zurückkehren. Privat, Bonnard!»
    Charlotte
wäre nochmals losgebrochen, wenn ihr Mann sie nicht zum Herd
zurückgeschoben und ihr flüsternd zu verstehen gegeben hätte, sie solle den
Mund halten.
    «Ja, Milor'
ja ja! Wenn Milor' mir folgen wollen.» Er stieß die wacclige und von Mäusen
benagte Tür am Ende des Raumes auf und führte Seine Gnaden in das Gästezimmer.
Es war nur spärlich möbliert, jedoch weniger schmutzig als der Schankraum.
Avon schritt auf den Tisch in der Nähe des Fensters zu, fegte mit einem Zipfel
seines Mantels den Staub von dessen Oberfläche und ließ sich auf der Kante des
altersschwachen Möbelstücks nieder.
    «Nun,
Freund, damit keinerlei Mißverständnisse aufkommen, laß Er mich Ihm sagen, daß
ich der Herzog von Avon bin. Ja, dachte ich mir's doch, daß er erstaunt sein
würde. Er wird bestimmt erfassen, daß es sehr gefährlich werden könnte, mich
hinters Licht zu führen. Ich werde Ihm bezüglich meines Pagen ein oder die
andere Frage stellen. Als erstes möchte ich wissen, wo er geboren wurde.»
    «Ich – ich
glaube, droben im Norden, Monseigneur. In – in der Champagne, aber ich weiß es
nicht sicher. Unsere – unsere Eltern sprachen nie von dieser Zeit, und ich kann
mich kaum dran erinnern – ich ...»
    «Nein? Wie
seltsam, daß Er nicht weiß, warum Seine guten Eltern plötzlich nach Anjou
verzogen.»
    Bonnard sah
ihn hilflos an.
    «Mein –
mein Vater sagte mir, er sei zu Geld gekommen. Ich weiß wirklich nicht mehr
drüber zu berichten, Monseigneur! Ich lüge nicht – ich schwör's!»
    Die
schmalen Lippen schürzten sich spöttisch.
    «Wollen wir
nicht weiter darauf eingehen. Wie kommt es, daß Léon Ihm so wenig an Gesicht
und Körper gleicht?»
    Bonnard
rieb sich die Stirn. Die Bestürzung, die sich auf seinen Zügen malte, war
nicht zu übersehen.
    «Weiß
nicht, Monseigneur. Hab mich selbst oft drüber gewundert. Er war immer schon
ein schwächliches und verwöhntes Muttersöhnchen, während ich angehalten wurde,
auf dem Hof zu arbeiten. Meine Mutter zog ihn mir in allen Dingen vor. Immer
hieß es nur Léon, Léon und abermals Léon. Léon muß lesen und schreiben lernen,
aber ich – der ältere – muß mich der Schweine annehmen. Er war von jeher ein
kränclicher und dabei schnippischer Bengel, Monseigneur. Eine richtige Schlange,
ein ...»
    Avon
klappte mit einem Finger den Deckel der Schnupftabakdose hoch.
    «Wollen
wir's zu keinem weiteren Mißverständnis kommen lassen, Freund. Einen Léon hat
es nie gegeben. Vielleicht eine Léonie. Und hierfür wünsche ich eine
Erklärung.»
    Der Mann
wand sich hin und her.
    «Ah,
Monseigneur! Ich tat's zu ihrem Besten – wirklich! 's war unmöglich, hier ein
Mädel dieses Alters zu haben, und es gab eine Menge zu tun. Es war besser, sie
in Jungentracht zu stecken. Meine Frau – Monseigneur werden mich verstehen –
die Weiber sind nun einmal eifersüchtig, Milor'. Sie wollte kein Mädel hier
haben. Also wenn der Bub – will sagen, das Mädel – was gegen uns gesagt hat,
dann ist das gelogen! Ich hätt ihn auf die Straße setzen können, denn ich
brauchte nicht für ihn aufzukommen. Statt dessen behielt ich ihn, kleidete ihn,
fütterte ihn, und wenn er behauptet, daß er schlecht behandelt wurde, so ist
das eine Lüge! Er ist ein bösartiger Racker und schlecht veranlagt obendrein.
Ihr könnt mir keine Vorwürfe machen deswegen, daß ich sein wahres Geschlecht
verborgen hab, Monseigneur! Das war seine Rettung, ich schwör's! Und es hat ihm
recht wohl behagt. Hat niemals danach verlangt, ein Mädel zu sein.»
    «Zweifellos
hatte er's vergessen», sagte Avon trocken. «Sieben Jahre lang ein Knabe zu sein
... Nun ...» Er hielt einen Louis empor. «Vielleicht frischt dies ein bißchen
Sein Gedächtnis auf. Was weiß Er von Léon?»
    Der Mann
blickte ihn verwirrt an.
    «Ich
versteh nicht, Monseigneur. Was soll ich von ihm wissen?» Avon beugte sich
leicht vor, und seine Stimme nahm einen drohenden Tonfall an.
    «Unwissenheit
vorzutäuschen nützt Ihm nichts, Bonnard.

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