Georgette Heyer
Boot, Sir, niemals ein ...»
«Schmierig?
Dann werde ich eben schmierig, verdammt noch mal!» sagte Rupert. «Hol Er mir
den Kapitän und sag Er ihm, daß ich heut abend die Überfahrt nach Frankreich
machen möchte.»
Der
Hafenmeister entfernte sich und kehrte sogleich mit einem vierschrötigen und
schwarzbärtigen Gesellen zurück, der einen grobgewebten Anzug trug. Dieser
Gentleman beäugte Rupert mit Gleichmut, dann tat er die lange Tonpfeife aus dem
Mund und ließ zwei Worte hervorpoltern: «Zwanzig Guineen.»
«Wie?» rief
Rupert. «Keinen Farthing mehr als zehn, Spitzbube!»
Der bärtige
Gentleman spie wohlgezielt ins Meer, geruhte jedoch nicht zu sprechen. In
Ruperts Augen blitzte ein gefährliches Licht auf. Er berührte den Mann mit
seiner Reitpeitsche an der Schulter. «Mann, ich bin Lord Rupert Alastair. Er
soll zehn Guineen von mir bekommen, für den Rest hol Ihn der Teufel!»
Der
Hafenmeister stellte die Ohren auf.
«Wie ich
hörte, Milord, liegt die Silver Queen Seiner Gnaden im Hafen von
Southampton.»
«Justin
soll der Teufel holen!» rief Rupert wütend. «Sonst hatte er sie doch immer
hier!»
«Wenn Ihr
vielleicht nach Southampton rittet, Sir ...»
«Ebensogut
könnte ich zur Hölle reiten! Dort wird sie doch sicher jetzt frisch gestrichen.
Also, wie ist's, Mann, zehn Guineen?»
Der
Hafenmeister nahm seinen Gefährten beiseite und flüsterte angelegentlich in
ihn hinein. Der drehte sich dann um und sagte zu Rupert: «Ich meine, Milord,
fünfzehn Guineen wären ein anständiger Preis.»
«Fünfzehn
Guineen, gemacht!» erklärte sich Rupert prompt einverstanden, der zwei Kronen
in seiner Tasche gedenkend. «Ich muß das Pferd verkaufen.»
«Um sechs
setzen wir Segel, warten tun wir auf niemanden», knurrte der Kapitän und
entfernte sich.
Rupert ritt
in die Stadt, und das Glück wollte es, daß er Mr. Manvers' Rotschimmel um
zwanzig Guineen an den Mann bringen konnte. Nach abgeschlossenem Handel begab
er sich in die Hafenschenke, wo er sich mit einer Waschung und einer Schale
Punsch erquickte. Derart gestärkt, bestieg er das Schiff und ließ sich auf
einer Rolle Tau nieder, das Abenteuer bis zur Neige auskostend, wenn auch
nicht im geringsten frohgestimmt.
«Bei Gott,
an so einer verrückten Hetzjagd hab ich noch nie teilgenommen!» sprach er in
den Himmel hinein. «Saint-Vire hat, Gott weiß warum und wohin, Léonie
weggezaubert – und ich folge witternd seiner Fährte, fünf Kronen in der Tasche
und den Hut des Wirts auf dem Kopf. Und was werd ich tun, wenn ich das Mädel
finde?» Er versank in tiefes Nachsinnen. «Eine verteufelt heikle Angelegenheit,
bei Gott», entschied er. «Justin steckt hinter dem Ganzen, dafür laß ich mich
hängen. Aber wo zum Teufel steckt Justin?» Plötzlich warf er den Kopf zurück
und lachte. «Verdammt, ich würd was drum geben, das Gesicht der alten Harriet
zu sehen, wenn sie entdeckt, daß ich mit Léonie durchgegangen bin! Heida gilt's
allerlei Rätsel zu lösen, meiner Treu: ich weiß nicht, wo ich bin, und ich weiß
nicht, wo Léonie ist, noch weiß sie, wo ich bin, und in Avon weiß man nicht, wo
wir beide sind!»
18
MR.
MANVERS IST ENTRÜSTET
Madam Field war beunruhigt, denn es war
sechs Uhr abends vorbei, und weder Léonie noch Rupert waren zurückgekehrt.
Beträchtlich verwirrt entsandte Madam schließlich einen Boten nach Merivale,
um zu fragen, ob die beiden Ausbrecher dort seien. Nach einer halben Stunde
kehrte der Lakai zurück, Merivale zu Pferd an seiner Seite. Merivale schritt
rasch in das Empfangszimmer, und Madam Field sprang sogleich auf.
«Oh, Lord
Merivale! Oh, haben Sie das Kind heimgebracht? Ich bin ja so beunruhigt, denn
ich habe sie nach elf Uhr vormittags nicht mehr gesehen – vielleicht ein
bißchen später – oder war's früher? – ich kann's nicht sicher sagen. Und von
Rupert kein Zeichen, und so dachte ich, sie seien vielleicht bei Ihnen ...»
Merivale
unterbrach den Wortschwall.
«Ich habe,
seit Rupert heute vormittag aufbrach, um hierher zu gehen, keinen der beiden
gesehen», sagte er.
Madams Mund
klappte auseinander. Sie ließ ihren Fächer fallen und begann zu weinen.
«O Gott, o
Gott, und dabei hat mir Justin ans Herz gelegt, ein Auge auf sie zu
haben! Aber wie konnte ich das ahnen, es war doch sein eigener Bruder! O mein
Gott, können sie – können sie durchgegangen sein?»
Merivale
legte Hut und Reitpeitsche auf den Tisch.
«Durchgegangen?
Unsinn, Madam! Ausgeschlossen!»
«Sie war
immer ein
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