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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Page und die Herzogin
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Sofort nach Hause mit dir, du wilde Hummel!»
    «Kommt
nicht in Frage, Milor' Rupert!» rief sie spöttisch und tänzelte weiter. «Fangen
kannst du mich nicht!»
    «So, kann
ich nicht?» schrie Rupert, ließ seinen Hut fallen und begann zu rennen.
    Léonie
tauchte geradewegs in den Wald unter und lief, als gälte es ihr Leben, denn sie
wußte nur zu gut: Rupert würde, wenn er sie erwischte, sie ohne Zögern packen
und ins Haus zurücktragen.
    «Wart nur,
wenn ich dich fange!» drohte Rupert, durch das Dickicht brechend. «Verdammt,
jetzt hab ich mein Jabot zerrissen, und dabei hat mich die Spitze fünfzehn
Guineen gekostet! Pest und Teufel, wo steckst du?»
    Léonie
stieß einen spöttischen Schrei aus, dessen Echo der Wald widergab, und lief weiter,
mit dem Gehör Ruperts täppische Irrwege verfolgend. Sie führte ihn kreuz und
quer zwischen den Bäumen hindurch, durch Gebüsch, über den Bach, in Umwegen und
Kreisen, sich eben noch außer Sichtweite haltend, bis sie zur Straße gelangte.
Sie wäre umgekehrt, hätte sie nicht zufällig eine leichte Reisekutsche
erblickt, die ganz in der Nähe hielt. Überrascht schlich sie auf den
Zehenspitzen zu einer niederen Weißdornhecke, über die sie nun lugte. Aus der
Ferne vernahm sie Ruperts halb atemlos-empörte, halb lachende Stimme. Sie warf
den Kopf zurück, um ihn zu rufen, als sie zu ihrem Erstaunen den Grafen
Saint-Vire rasch auf einem der Pfade, die durch den Wald führten, herannahen
sah. Er sah grimmig aus, sein grobgeschnittener Mund war verzerrt. Er blickte
um sich, und als sein Auge auf sie fiel, entwölkte sich seine Miene, und er kam
eilends auf sie zu.
    «Einen
schönen guten Morgen, Page Léon», sagte er mit beißendem Hohn. «Ich hätte kaum
zu hoffen gewagt, dich so bald zu sehen. Diesmal steht, glaube ich, das Glück
auf meiner Seite.»
    Léonie wich
ein wenig zurück. Avons Warnungen klangen ihr in den Ohren. «Bonjour, M'sieur»,
sagte sie und fragte sich, was er auf dem Grund und Boden des Herzogs zu suchen
habe und warum er überhaupt in England weile. «Wollen Sie Monseigneur
besuchen?» fragte sie mit gerunzelten Brauen. «Er ist nicht hier.»
    «Ich
bedaure es unendlich», sagte Saint-Vire sarkastisch und trat geradewegs auf
sie zu. Sie schrak zurück und begann in jäh aufsteigender, unerklärlicher
Furcht nach Rupert zu rufen.
    «Rupert,
Rupert, à moi!»
    Im selben
Augenblick, als sie schrie, legte sich Saint-Vires Hand auf ihren Mund und sein
Arm um ihre Taille. Verzweifelt um sich schlagend, wurde sie emporgehoben und
im Laufe zur wartenden Kutsche getragen. Ohne den leisesten Gewissensbiß
schlug sie die Zähne tief in die Hand auf
ihrem Mund. Es folgte ein unterdrückter Fluch, die Hand zuccte ein wenig hoch,
und sie warf den Kopf zurück, um abermals um Hilfe zu schreien.
    «Rupert,
Rupert, an m'emporte! A moi, à moi, à moi, à moi!» Ruperts Stimme drang, bereits näher,
zu ihr.
    «Wer – was
...? Was, zum Teufel ...?»
    Da wurde
sie in die Kutsche geschleudert; wie eine kleine Furie sprang sie auf die
Beine, doch eine rohe Hand warf sie von neuem zurück. Sie hörte Saint-Vire dem Kutscher
einen Befehl zurufen, dann sprang er zu ihr hinein, und die Kutsche setzte sich
mit einem Ruck in Bewegung.
    Rupert
tauchte, erhitzt und mit fliegenden Haaren, am Rande der Straße gerade noch
rechtzeitig auf, um die Kutsche, in Richtung des Dorfes, um eine Biegung
verschwinden zu sehen.
    Anfangs
hatte er geargwöhnt, Léonie wollte ihn nur necken, doch ihr zweiter Hilferuf
hatte nach echter Angst geklungen, und nun war nichts von ihr zu sehen. Mit dem
ihm eigenen Ungestüm lief er blindlings die Straße entlang, um die Kutsche zu
verfolgen; nicht einen Augenblick lang kam es ihm in den Sinn, daß es angezeigt
wäre, umzukehren und ein Pferd aus dem Stall zu holen. Wie ein Pfeil schoß er
dahin, ohne Hut, mit zerrissenem Jabot und schief sitzender Perücke. Die
Kutsche war bereits außer Sicht, doch er lief weiter, bis ihm der Atem
versagte. Dann fiel er in Schritt. Sobald er genug Luft geschöpft hatte, begann
er wieder zu laufen, mit dem Schatten eines Grinsens der komischen Figur
gedenkend, die er abgab. Er hatte keine Ahnung, wer Léonie entführt hatte und
aus welchem Grunde, doch er nahm mit Sicherheit an, daß sie sich in der Kutsche
befand. Sein kämpferischer Geist war zugleich mit seiner Abenteuerlust
erwacht: er beschloß, die Kutsche abzufangen, und kostete es ihn das Leben. So
gelangte er, abwechselnd laufend und gehend, zu dem drei

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