Georgette Heyer
Le
Havre.»
«Wir
verließen Le Havre erst um zwei! Er nahm nicht an, daß du folgen würdest, und
hielt sich nun für genügend gesichert.»
«Gesichert,
eh? Ich will ihn schon lehren!» Rupert ballte die Faust. «Wo war ich?»
«In Le
Havre», beeilte sich Léonie ihn aufzuklären.
«Richtig!
Na ja, als ich die Überfahrt bezahlt hatte und alle meine Guineen flöten waren,
ging ich hin und verkaufte meine diamantene Nadel.»
«Oh! Solch
eine schöne Nadel!»
«Macht
nichts. Du würdest kaum glauben, welche Scherereien ich hatte, das verdammte
Zeug loszuwerden. Meiner Seel, ich glaub fast, sie hielten's für Diebsgut.»
«Aber du
hast sie verkauft?»
«Ja, für
weniger als den halben Wert, hol's der Teufel! Dann sauste ich ins Wirtshaus,
um nach dir zu fragen und etwas zum Essen zu kriegen. Donnerwetter, war ich
hungrig!»
«Ich auch!»
seufzte Léonie. «Und dieser Schweinekerl hat in einem fort gegessen!»
«Du
unterbrichst mich ständig», rügte Rupert streng. «Wo war ich jetzt? Ja,
richtig! Der Wirt sagte mir, Saint-Vire sei um zwei per Kutsche nach Rouen
gereist; das nächste also, was ich zu tun hatte, war, ein Pferd zu mieten, um
abermals hinter dir her zu hetzen. Das ist alles, und es war ein verteufelt
gutes Abenteuer! Aber wo wir jetzt sind und was wir tun sollen, weiß ich
nicht!»
«Glaubst du
nicht, daß der Graf hierherkommen wird?» fragte Léonie ängstlich.
«Keine
Ahnung. Er kann dich nicht gut schnappen, wenn ich da bin. Ich wollt, ich
wüßte, was er zum Teufel mit dir vorhat. Weißt du, das ist schon eine verdammt
schwierige Sache, weil keiner von uns eine blasse Idee hat, was er im Sinn
führt.» Er runzelte nachdenklich die Stirn.
«Natürlich könnte Saint-Vire herkommen, um dich neuerlich zu rauben. Er wird
zuerst nach Le Havre geritten sein, todsicher, und wenn er entdeckt, daß wir
nicht dort gewesen sind, wird er das umliegende Land abgrasen, denn er weiß,
daß er mich verletzt hat, und es liegt auf der Hand, daß wir uns irgendwo in
der Nähe verborgen halten.»
«Was sollen
wir tun?» fragte Léonie mit bleichen Wangen.
«Wie, du
fürchtest dich doch nicht? Verdammt noch mal, er kann dich doch nicht mir vor
der Nase wegholen!»
«Oh, er
kann's, Rupert er kann's! Du bist so schwach, daß du mir nicht helfen kannst.»
Rupert
bemühte sich, auf die Füße zu kommen, versagte jedoch schmählich. Er schäumte
vor Wut.
«Hol's der
Teufel, schießen kann ich!»
«Aber wir
haben keine Waffe!» wandte Léonie ein. «Er kann jeden Augenblick kommen, und
diese Leute werden nie im Leben imstande sein, ihn fernzuhalten.»
«Wir haben
eine Pistole, Kind, eine Pistole! Herr im Himmel, was wirst du noch alles
vorbringen! Natürlich haben wir eine! Hältst du mich für einen solchen Narren?
Greife in die Taschen meines Anzugs.»
Léonie
sprang vom Bett und zog Ruperts Wams vom Sessel. Aus einer seiner Taschen
förderte sie Mr. Fletchers unförmige Pistole zutage und schwang sie freudig
durch die Luft.
«Rupert, du
bist wirklich sehr gescheit! Nun können wir diesen Schweinekerl umbringen!»
«He, leg
sie hin!» kommandierte Rupert einigermaßen erschreckt. «Du verstehst nichts von
Pistolen, und es wird ein Malheur passieren, wenn du sie so herumschwenkst! Das
Ding ist geladen, der Hahn gespannt!»
«Und wie ich mich auf Pistolen verstehe!» sagte Léonie entrüstet. «So zielt man,
siehst du? Und dann zieht man an diesem Ding.»
«Um Gottes
willen, leg sie nieder!» schrie Rupert. «Du zielst mit dem verdammten Zeug
genau auf mich, dumme Gans! Leg sie auf den Tisch neben mir und suche meine
Geldbörse. Sie ist in der Hosentasche.»
Zögernd
legte Léonie die Pistole nieder und kramte von neuem in Ruperts Kleidern nach
der Börse.
«Wieviel
haben wir noch?» fragte Rupert.
Léonie leerte
die Guineen aufs Bett. Sie rollten auf den Boden, und eine fiel mit einem
Klatsch in Ruperts Brühe.
«Meiner
Seel, du bist eine unachtsame Range!» schalt Rupert und fischte die Münze aus
seiner Schale. «Jetzt ist eine andere unters Bett gerollt!»
Léonie
tauchte den fliehenden Guineen nach, bemächtigte sich ihrer und setzte sich
dann aufs Bett, um sie nachzuzählen.
«Eins,
zwei, vier, sechs und einen Louis – oh, und noch eine Guinea, und drei Sous und
...»
«So zählt
man nicht! Gib sie mir! Schon wieder ist eine unters Bett gerollt, verdammt!»
Léonie war
eben auf der Suche nach der Guinea unter das Bett gekrochen, als man von
draußen Hufegeklapper vernahm.
«Was
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