Gepaeckschein 666
Bestellungen mußten jeweils bis zum Mittwoch aufgegeben sein.
„Und jetzt erteile ich Peter das Wort“, sagte der Sheriff abschließend und setzte sich.
„Bravo, Sheriff!“ riefen die Jungen und klatschten.
Peter hatte sich inzwischen direkt unter die Lampe gestellt, die mitten über der Kegelbahn von der Decke herunterhing.
Er biß sich jetzt auf die Unterlippe und sah vor sich auf den Fußboden.
„Ihr wißt, daß ich mit dem Schuheputzen aufhöre. Wer bei uns ausscheidet, tut es ja nur, um einen ordentlichen Beruf zu erlernen, worauf er sehnlichst wartet. Ich gehe in den Hotelberuf.“
Peter sah jetzt vom Fußboden weg und den Jungen in die Augen.
„Trotzdem ist es so, als ob man irgendwo in den Ferien war und wieder in den Zug klettern muß. Man freut sich auf zu Hause, und doch ist’s einem fast zum Heulen. Weil man eben von dort, wo es schön war, nicht gern wegfährt. Ich freue mich natürlich aufs ATLANTIC, aber Peter biß sich wieder auf die Unterlippe und sah über die Jungen, die treue Kameradschaft mit ihm gehalten hatten, hinweg. Das dauerte eine Weile, dann sagte er nur noch kurz: „So ist das, und ihr wißt bestimmt, was ich meine. - Dann ist da noch die Sache mit den hundert Mark“, fuhr Peter nach einer Weile fort: „Dazu kann ich euch nur versprechen, daß ich genauso, wie ihr alle heute morgen mitgemacht habt, dabei bin, wenn einer von euch in die gleiche Lage kommt. Und das ist vielleicht überhaupt das Schönste dabei, daß jetzt jeder von uns weiß, er ist nicht allein, die anderen helfen ihm, so gut sie können, wenn es ihm mal dreckig geht. Und das ist eine ganze Menge, genau vierundzwanzigmal mehr als jeder von uns allein fertigbringt. Im übrigen müßt ihr jetzt einen neuen Chef wählen. Ich bitte um Vorschläge.“
Die Jungen klatschten in die Hände und trampelten mit den Füßen.
Als sich der Beifall gelegt hatte, sagte Peter: „Danke schön. Aber jetzt, bitte, die Vorschläge.“
„Der Sheriff!“ riefen mehrere Jungen auf einmal.
„Ich stelle fest: erster Vorschlag, der Sheriff! Weiter!“
„Horst Buschke!“ rief es.
„Ich stelle fest: zweiter Vorschlag-“, Peter stockte.
Der kleine Horst Buschke hatte nämlich einen knallroten Kopf und bibberte vor Vergnügen.
Er hatte seinen eigenen Namen zum Vorschlag gebracht. „Der zweite Vorschlag ist ungültig“, erklärte Peter jetzt, „man kann sich natürlich nicht selbst vorschlagen. Weiter.“ Peter sah sich um und wartete. Eine ganze Weile. Dann sagte er: „Ich stelle fest, der Sheriff liegt ohne Konkurrenz im Rennen. Also Abstimmung. Wer dafür ist, daß Sheriff der neue Chef wird, hebt die rechte Hand hoch.“
Alle Jungen hoben den Arm, auch Horst Buschke. Er rief als alter Spaßmacher noch: „Ich beuge mich der Mehrheit!“
Die Winkelmannschen Eisbeine blieben nicht ohne Wirkung. Ein Parlament mit vollen Mägen neigt eben zur Einmütigkeit.
„Ich stelle fest“, sagte Peter wieder, „der Sheriff ist einstimmig gewählt.“
Jetzt tobten die Jungen wie vorher.
Der Sheriff sprang auf, stellte sich neben Peter in die Mitte, und die beiden gaben sich die Hand. Es sah so aus, als gratuliere in Amerika der scheidende Präsident seinem Nachfolger.
„Ich übergebe hiermit das Präsidium an den neuen Chef!“
Damit setzte sich Peter unter die Jungen.
„Ruhe!“ rief der Sheriff.
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis die Jungen mit ihrem Klatschen und Rufen aufhörten.
„Ich bin tief gerührt“, gab der Sheriff bekannt und grinste über sein ganzes Gesicht. „Wirklich.“
Die Jungen wollten schon wieder losbrüllen, aber da winkte der neue Chef energisch ab und sagte sehr sachlich: „Ich bitte das hohe Haus, die ihm angemessene Würde zu bewahren!“
Die Versammlung lachte und kicherte, aber sie blieb jetzt ruhig.
„Wenn ihr damit einverstanden seid, nehme ich anstelle von Peter jetzt Horst Buschke zu mir an den Bahnhofseingang. Er ist zwar eine Knalltüte, aber zugleich ist er auch am längsten bei uns. Hat jemand etwas dagegen einzuwenden?“
Niemand meldete sich.
Da rief der kleine Horst Buschke: „Ich protestiere gegen die Bezeichnung Knalltüte!“
„Einspruch abgelehnt“, stellte der Sheriff fest und winkte jetzt den Jungen mit den großen schwarzen Augen zu sich.
„Das ist Carlos.“
Der junge Portugiese stand etwas verlegen neben dem Sheriff unter der Lampe vor all den Jungen.
„Vielleicht habt ihr etwas von den ,Fünf Romanos’ gehört, die im vorigen Monat hier im
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