Gepaeckschein 666
sieht auch nicht so aus, als ob er viel geschlafen hätte“, stellte Herr Winkelmann fest. „Und dabei geht’s heute um die Meisterschaft!“
„Papperlapapp!“ rief Mutter Pfannroth. „Nachher gibt’s ein richtiges Mittagessen, und dann ist alles vergessen. Was ist das übrigens für ein Koffer?“
„Es gibt eine Menge zu erzählen“, wich Peter aus. Dann legte er seinen mit der Wäscheleine verschnürten Koffer platt auf den Boden und schob ihn unter das Pfannrothsche Familiensofa, so, daß nichts mehr von ihm zu sehen war. „Du wirst dich wundern!“
„Seitdem du ganze Nächte weg bleibst, wundert mich nichts mehr!“ antwortete Mutter Pfannroth.
„Abwarten!“ meinte Peter geheimnisvoll und ging ans Fenster, „vielleicht dauert’s nur noch zehn Minuten.“ Aber so lange dauerte es gar nicht mehr. Peter sah gerade noch, wie Jimmy drunten am Overseasschen Wagen von einer ganzen Menge Kinder umlagert wurde, da ging die Tür.
„Sie entschuldigen!“ sagte ein älterer Herr mit einem Spitzbart am Kinn. „Kriminalpolizei!“
„Du kriegst die Motten!“ stammelte Mutter Pfannroth und ließ sich auf einen Stuhl fallen.
Das war der Augenblick für Meister Winkelmann. Er hatte bisher nichts getan als zugehört und seine Zigarre geraucht. Jetzt stand er auf, legte Mutter Pfannroth seine Hand auf die Schulter und sagte: „Kein Grund zur Aufregung!“ dann baute er sich vor dem Herrn von der Kriminalpolizei auf: „Mein Name ist Winkelmann. Bitte, nehmen Sie Platz!“ dabei zeigte er mit der ausgestreckten Hand auf das Pfannrothsche Familiensofa.
Der Herr mit dem weißen Spitzbart zögerte eine Sekunde, aber als in diesem Augenblick auch noch der
Gasmann aus der Küche kam, setzte er sich doch. Das war ja hier ein regelrechter Menschenauflauf. Damit hatte er nicht gerechnet.
„Macht zwölf Mark zwanzig“, sagte der Gasmann.
Mutter Pfannroth stand auf und angelte zwölf Mark fünfzig aus der Blumenvase. „Für den Rest kaufen Sie sich eine Zigarre“, meinte sie, aber ihre Gedanken waren ganz woanders. Sie sah jetzt zu ihrem Jungen hinüber und fragte: „Sag ehrlich, ist irgend etwas?“
„Sie können ganz beruhigt sein!“ versicherte der Spitzbart sofort. „Die Sache ist durchaus ehrenhaft, höchst ehrenhaft sogar! Sie werden allen Grund haben, auf Ihren Jungen stolz zu sein!“
„Aber warum denn dann die Polizei? Auch noch die Kriminal- Polizei?“ wollte Frau Pfannroth wissen.
„Schönen Dank!“ sagte in diesem Augenblick der Gasmann und verließ die Wohnung.
„Wenigstens einer weniger“, dachte der Spitzbart. „Der Junge zählt nicht. Die zwei Frauen zählen auch nicht. Aber dieser Herr Winkelmann scheint nicht von schlechten Eltern zu sein!“
Er sagte also: „Meine Ausweise stehen Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung-“ Der Spitzbart griff lächelnd in seine Rocktasche, aber er deutete diese Bewegung nur an. Gleichzeitig fuhr er übertrieben höflich fort: „Wirklich, ich kann Sie zu diesem Jungen nur beglückwünschen!“
Dabei überlegte er sich, wie er jetzt wohl am schnellsten zu dem Koffer kommen könnte. Er wußte ja nicht, wie alles zusammenhing. Aber das war sicher, daß es auf jede Minute ankam.
„Was können wir also für Sie tun?“ fragte Herr Winkelmann.
„Es handelt sich um - einen Koffer, um einen ganz bestimmten Koffer“, sagte der Spitzbart.
„Also der Koffer!“ rief Mutter Pfannroth. „Der hat mir von der ersten Sekunde an nicht gefallen!“
„Ist er gestohlen?“ fragte Frau Sauerbier neugierig.
„Er war es“, gab der Herr von der Kriminalpolizei zu und fingerte an seinem silberweißen Spitzbart herum. Dabei faßte er jetzt Peter ins Auge.
„Es wäre sehr freundlich, wenn Sie deutlicher würden“, schlug Fleischermeister Winkelmann vor.
„Im Augenblick kann ich das leider noch nicht“, bedauerte der Spitzbart. „Aber schon bald —“
„Wieso, ist im ATLANTIC irgendwas schiefgegangen?“ fragte jetzt Peter.
„Im Gegenteil“, antwortete der Herr mit dem Spitzbart auf gut Glück.
„Aber dann wollte doch Francis, ich meine Mister Overseas junior, gleich hierher kommen- mit Kriminalkommissar Lukkas und —“
„Schon recht, das stimmt —“
Der Spitzbart hatte jetzt blitzartig begriffen, wie die ganze Sache eingefädelt war. Vor allem hatte er begriffen, daß Kriminalkommissar Lukkas jeden Augenblick hier sein konnte. Er hatte also wirklich keine Zeit mehr zu verlieren. Wenn er nur wüßte, wo dieser verdammte
Weitere Kostenlose Bücher