Gepeinigt
Wand«, befahl er.
Sie zögerte und dachte fieberhaft über eine Ausrede nach.
»Los!«, zischte er. Kein Kichern. Kein Säuseln.
Mary lieà sich langsam auf den Bauch sinken, wandte den Kopf zur Wand. Ihr Atem ging schneller, wurde lauter. Sie versuchte sich zu beruhigen, damit sie ihn hören konnte.
Vergebens. Sie sah gerade noch aus den Augenwinkeln, wie sich ihr eine Hand mit einem weiÃen Tuch näherte, dann presste er es ihr bereits mit voller Wucht aufs Gesicht. Der Schlag war so heftig, dass sie zurückgeworfen wurde. Das Tuch verrutschte. Genug für einen halben Atemzug. Mary wurde von blinder Panik erfasst. Wild mit den Armen fuchtelnd warf sie sich auf den Rücken, versuchte, ihn irgendwo zu treffen. Aber ihre Fäuste trafen ins Leere. Sie wusste, dass sie kostbare Zeit verlor. Sie krallte die Finger in sein Bein â oder war es sein Arm? Sie wusste es nicht. Etwas, das man festhalten konnte. Noch einmal warf sie sich herum, und tatsächlich gelang es ihr, ihren Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen. Er fiel auf sie. Das Tuch verrutschte. Sie holte
tief Luft. Dann wurde sie von einem brutalen Faustschlag an der Schläfe getroffen. Ein blendender Schmerz explodierte hinter ihren Augen. Sie wusste, der nächste Schlag würde unmittelbar folgen. Sie riss den Kopf zur Seite, bäumte sich auf, in dem Versuch, ihn mit aller Kraft von sich herunterzustoÃen.
Es war ein primitiver Kampf. Ãchzen, Grunzen, Wutschreie. Marys Augen füllten sich mit Tränen, ihre Sicht verschwamm. Ein weiterer Faustschlag, der jedoch nur ihren Wangenknochen streifte. Voller Panik suchte sie nach Angriffspunkten: Genitalien, Kehle, Augen. Der Latexanzug war sehr glatt. Plötzlich legten sich Finger um ihren Hals, schnürten ihr die Luft ab. Und da war wieder das weiÃe Tuch. Weil er ihr die Luftröhre zusammendrückte, blieb ihr nichts anderes übrig, als die toxischen Dämpfe einzuatmen. Ihr wurde schwindlig. Sie würde den Kampf verlieren. In einem letzten Aufbieten verzweifelter Kräfte warf sie den Kopf hoch und versetzte ihm einen Schlag gegen die Stirn. Die Schmerzen bohrten sich wie Messer, wie Blitze in ihr Hirn. Sie erwartete, sofort bewusstlos zu werden.
Aber es passierte nichts. Stattdessen fiel das Tuch von ihrem Gesicht und die Finger um ihren Hals erschlafften. Mit hysterischen, panischen Schreien kroch sie unter ihm hervor, als wäre er ein ekelerregendes Rieseninsekt. Dann packte sie seinen verhassten Schädel und schlug ihn an die nächste Betonwand, einmal, zweimal und noch einmal. Wumm, wumm, wumm.
Sie weinte nun hemmungslos. Ãberlegte fieberhaft. Ihr erster Gedanke war, sofort zu fliehen. Sie kam schwankend auf die Knie. Da war der Lappen! Sie drückte ihn brutal auf sein Gesicht. Das würde ihr vielleicht ein wenig Zeit verschaffen. Sie schaute panisch zur Tür. Wie dorthin gelangen?
Der Rucksack. Vielleicht befand sich darin der Schlüssel zu ihrer FuÃkette. Und ihre Pistole! Mary streckte sich aus. Warf unweigerlich einen Blick auf ihn zurück. Er hatte sich nicht gerührt. Noch nicht. Sie streckte sich noch ein Stück weiter nach dem Rucksack aus. Ihre Fingerspitzen streiften ihn. Sie stieà einen Wutschrei aus. Verdammt, sie war schon so nah dran! Panische Angst saà ihr in der Kehle. Während sie sich unermüdlich ausstreckte, spürte sie, wie die Metallfessel in die Haut ihres FuÃgelenks schnitt. Der Rucksack, sie brauchte den Rucksack!
Endlich bekam sie ihn zu fassen.
Riss ihn an sich und drückte ihn an ihre Brust wie ein geliebtes Kind. Dann krabbelte sie so weit von ihm weg, wie es die Kette zulieÃ. Ein prüfender Blick. Er hatte sich noch immer nicht bewegt. Aber seine Brust hob und senkte sich. Er war also nicht tot. Sie musste sich beeilen. Hektisch durchwühlte sie den Rucksack. Medizinfläschchen klirrten. Eine Dose Cola. Eine noch eingeschweiÃte Digitalkamera. Ein Paar Schuhe. Keine Pistole. Kein Schlüssel. Wo zur Hölle waren sie? Sie suchte in den Seitentaschen, zerrte an ReiÃverschlüssen. Nichts!
Wie lange war er schon bewusstlos? Wie viel Zeit blieb ihr? Hielt ihr Herz das aus? Es schien ihr aus der Brust springen zu wollen. Sie drehte den Rucksack um, schüttelte den Inhalt auf den Boden und durchsuchte ihn abermals. Dann fand sie die Nagelschere. Sie bohrte die Spitze ins Kettenschloss. Nichts passierte. Sie bearbeitete mit der Schere den
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