Geraeuschkiller - Mutige Liebe
dass Dragu mit
dem Koffer verschwunden war, und dass sie sich lange auf dem Bett hin und her
gewälzt hatte, bis sie einschlafen konnte.
Ich sitze
in der Falle, dachte sie. Modergeruch stieg vom Bett auf. Über ihr wölbte sich
der zerschlissene Baldachin aus verblichenem Samt. Durch die Löcher im Stoff
sah sie den versifften Kristalllüster.
Neben dem Bett
entdeckte sie eine verbeulte Waschschüssel aus Email und eine ebensolche Kanne
wie aus Omas Zeiten, auf einem rostigen Gestell. Daneben ein frisches Handtuch,
ein Stück Kernseife und ein Kamm. Sogar ein frisches T-Shirt zum Wechseln lag
auf dem Bett, viel zu groß für sie, wahrscheinlich eines von Dragu. für
Männer, wahrscheinlich eines von Dragu. Sie musste lächeln.
Wie wohl
das frische Wasser auf ihrer Haut tat! Doch das T-Shirt mit den Mohnblumen, das
Pedro ihr geschenkt hatte, das behielt sie an. Nicht eine Sekunde wollte sie
sich davon trennen.
Köstlicher
Duft von frischem Kaffee stieg ihr in die Nase und das Klappern von Geschirr
weckte vertraute Erinnerungen an zu Hause. Sie tappte verschlafen hinüber zu
Dragu.
Neben dem
schwarzen Koffer türmte sich ein Berg neuer weißer Smaraggs auf dem Boden. Die
hatte sie gestern noch nicht gesehen. Gestern? Es kam ihr vor, als wäre eine
Ewigkeit vergangen seit dem Tag, an dem sie dieses Haus betreten hatte.
Dragu saß
mit dem Rücken zu ihr am Tisch und schlürfte seinen Kaffee. Sie setzte sich zu
ihm. Er nahm keine Notiz von ihr. Sie beobachtete ihn. Er sah übernächtigt aus,
noch blasser als sonst, seine Lippen waren zu einem schmalen Strich
zusammengekniffen.
»Hallo«,
sagte sie – er schrak zusammen. »Wo kommen die vielen neuen Smaraggs her?«
Er vermied
es, ihr in die Augen zu sehen und schenkte ihr wortlos Kaffee ein. »H-h-hier,
n-n-nimm!«, sagte er und schob ihr zwei dicke Scheiben Graubrot mit Butter zu.
Sie bohrte
weiter: »Woher hast du sie?«
»Lass das
Fragen. Wenn hier einer Fragen stellt, d-d-dann bin ich das«, schnauzte er sie
an. »Du hast vor zwei Tagen ein w-w-wichtiges Geräusch nicht erraten.«
Clara sah
ihn überrascht an. Vor zwei Tagen? Hatte sie zwei Tage lang geschlafen? Sie zog
es vor, nicht weiter in ihn zu dringen.
Er hatte
sie vor dem unheimlichen Fremden geschützt, er hatte sie nicht verraten.
Wortkarg und abweisend saß er da und schaute finster vor sich hin. Sie legte
ihre Hand auf seine Hand. Da begann er am ganzen Körper zu zittern. Es musste
etwas Schreckliches passiert sein. Clara seufzte und trank in kleinen Schlucken
den duftenden Kaffee, verschlang die Butterbrote.
»N-n-nimm
n-n-noch ein Hörnchen«, sagte er und schob ihr ein Nusshörnchen zu. Nachdem
auch der letzte Bissen weg war, leckte sich Clara die Lippen wie ein Kätzchen.
Dragu
schaute unverwandt zum Fenster, und als Clara seinem Blick folgte, entdeckte
sie auf dem Fensterbrett ein gläsernes Musikinstrument. Die Strahlen der
Morgensonne brachen sich in ihm und zauberten einen Regenbogen in den Glaskörper.
Die Glosumia! Die hatte doch sonst nicht da gestanden!
Draußen
brach die Sonne voll durch die Wolkendecke.
»War er da
heute Nacht?«
»Wer?«
»Der
grässliche Kerl aus … aus dem Smaragdtropfen?«
Dragu fuhr
zusammen. »Woher weißt du ...? Du hast alles gehört ...?«
Clara
nickte. »Er lacht wie der Kidnapper aus dem grünen Smaragg.«
»Ja«, sagte
Dragu. »Er ist es.« Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Ohrthor nennt
er sich. Wie er wirklich heißt, weiß ich nicht.«, sagte er düster. »Sei
vorsichtig, wenn du ihm begegnest, Clara. Auch wenn er Goldmund nicht bei sich
hat, er ist gefährlich.«
»Ich will
diesem Kerl nie begegnen! Nie!«
Dragu warf
ihr einen sonderbaren Blick zu. »Hüte dich vor seinem Schlagring! Er trägt ihn
am rechten Mittelfinger. Auf dem Ring sitzt ein silberner Totenkopf, der mit
den Ohren wackelt, wenn Ohrthor daran dreht. Auch so eine idiotische Erfindung.
Der Kerl hat ein krankes Hirn. In den Ring hat er einen Stachel eingebaut, der
ein tödliches Gift enthält.«
»Ein
Giftring?«
»Du musst
aufpassen, wenn Ohrthor mit dem Daumen von unten gegen den Ring drückt, dann
schießt blitzschnell aus dem Rachen des Totenkopfs der Giftstachel heraus. Es
genügt, dass er dich nur ein bisschen ritzt und du bist innerhalb von dreißig
Minuten tot. Es ist ein furchtbares Sterben. Das Gift erzeugt im Kopf einen
teuflischen Ton, dessen Frequenz so anschwillt, dass der Kopf platzt.«
Claras
Augen weiteten sich vor Entsetzen: »Glaubst
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