Geraeuschkiller - Mutige Liebe
du, er will mich ... töten?«
»Dich wird er nicht auf diese Weise töten, mit dir hat er etwas
anderes vor. Aber du musst auf alles vorbereitet sein, Clara, nur dann haben
wir eine Chance gegen ihn ...«
Er
stöhnte auf. »Ich weiß nicht einmal, wo der Kerl Ramida versteckt hält, ob sie
überhaupt noch lebt! Wer weiß, was er mit ihr getrieben hat!« Er presste die
Finger zusammen, dass sie knackten. »Ohrthor ist unberechenbar. Stell dir vor,
er schnallt sich immer eine Pantherpranke aus schwarzem Eisen ums Knie.«
»Eine
Pantherpranke?«
Er nickte.
»Ja, genau so sieht das Ding aus. Zuerst habe ich gedacht, dass er sich da eine
abgedrehte Spezialprothese gebastelt hat für sein kaputtes Knie. Aber er hat
kein krankes Knie! Er hat nie was am Knie gehabt. Ich hab ihn mal gesehen ohne
die Folterpranke – er ist so geschmeidig wie ein Panther!«
»Aber warum
...?«
»Wenn du
mich frägst, er schnallt sich das Eisen ums Knie, damit ihm das Laufen schwer
fällt!«
Clara
hob zweifelnd die Augenbrauen.
»Aber
das ist noch nicht alles.« Dragu legte seine Hand auf ihre Schulter. »Er setzt
die Eisenpranke als Waffe ein. Ein Schlag mit seinem gepanzerten Knie auf deine
Hand ... und sie ist Brei!«
Dragu stand
auf und ging zum Fenster. Zärtlich streichelte er über die Glosumia.
»Ohrthor
hat mich reingelegt – er ist schuld daran, dass ich mein ganzes Leben vergessen
habe!« Er nahm die Glosumia vom Fensterbrett und hielt sie gegen das Licht. Sie
war an drei Stellen gebrochen und fein säuberlich wieder zusammengeklebt. Er
strich mit einem Finger über die Bruchstellen.
»Clara, du
hast alles erraten. Fast alles. Aber …«
Sie schlug
die Augen nieder. »Ich weiß …«
Behutsam
stellte er die Glosumia zurück auf das Fensterbrett.
»Mmachen
wir weiter – bist du s-s-o weit?« Er fuhr ihr zärtlich durch die wilden Locken.
»Hast zwei Tage und zwei Nächte durchgeschlafen, armes Mädchen, warst total
erschöpft.«
Er
war froh, dass ihre Augen wieder den grünblauen Glanz hatten, den er von dem Tag
kannte, als sie ihm erstmals furchtsam und doch mutig und eigensinnig
gegenüberstand, die Arme und das Gesicht blutig verkratzt von Brombeerranken
und mit roten Pusteln übersät von den Brennnesseln.
»Geht es
wieder?«
Sie nickte.
Eine sonderbare Ruhe überkam sie. Die Angst, die Müdigkeit waren wie
weggewischt. Alles in ihr schärfte sich zu äußerster Konzentration.
»Ja.«
Es war die
dritte, die letzte Runde.
Mit
äußerster Konzentration nahm er den Smaragdtropfen zwischen Daumen und
Mittelfinger, führte ihn behutsam zum Mund und hauchte darüber. Diesmal erglühten
in seinem Inneren ätherblaue Wirbel, die rastlos um
sich selber kreisten
Und
plötzlich stand mitten im Zimmer ein Fernsehapparat. Sehen konnten sie ihn
nicht. Aber sie hörten ihn.
Aus der
Flimmerkiste tönten im hektischen Wechsel Wortschnipsel und Musikfetzen. Jemand
zappte ungeduldig durch die Programme. Dann Knirpsen und Kauen. Ein
unsichtbarer Zuschauer schien auf einem Sofa zu fläzen und Kartoffelchips zu
futtern – dort neben der Bücherwand.
Clara
glaubte, die Chips zu riechen, so hautnah war das gespenstische Treiben. Jetzt
hörte das Zappen auf.
»Sehen Sie
dieses weiße Kleid? Sehen Sie den Blutfleck? Und hier! Die Flecken vom
Achselschweiß«, plapperte ein Mann, der sich als Doktor Allgrif auswies.
In dem
Moment hörte Clara dicht neben sich eine Tür aufgehen - eine Geistertür. Jemand
atmete neben ihr, jemand, der an seinem Fingernagel kaute. Jemand so groß wie
sie. Ein Junge rief:»Hallo Mama!« So nah war er, als stünde er Schulter an
Schulter mit Clara in der Bibliothek.
Keine
Antwort.
Im
Fernseher stopfte Doktor Allgrif wohl gerade das blutbefleckte Kleid in die
Waschmaschine, denn es war das Auf- und Zuklappen der Waschmaschinentür zu
hören.
»Hallo
Mama! Mama hörst du mich?« Der Junge ließ nicht locker.
»Sei
still!«, murrte eine Frau.
»Mama?«
»Halt den
Mund!«
»Ich muss
dir etwas sagen … es ist sehr wichtig.« Seine Stimme bebte.
»Es ist
nicht zum Aushalten mit dir!«, sagte die Frau. » Siehst du nicht, dass ich
beschäftigt bin? Wie oft muss ich dir das noch sagen? «
Im
Fernseher legte Doktor Allgrif gerade hundertprozentige Vertrauenswürdigkeit in
seine Worte: »Gegen solche und andere Flecken, meine Damen, hilft nur eines:
Raschkes Rapidweißpaste.«
»Mama … »,
drängte der Junge. »Ich wollte … dir nur sagen, dass ich, … dass ich … Ich
brauche dich.« Er
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