Gérards Heirat
ein.
»So, da kommt endlich mein Herr Sohn!« rief Herr von Seigneulles, dessen Zorn wieder aufs neue entbrannte. »Ich habe ja schöne Sachen gehört! ... Habe die Güte, mir dein Benehmen gegen Frau Grandfief und diesen unpassenden Bruch, den ich durchaus nicht erwartet habe, zu erklären.«
»Ich beabsichtigte, dich selbst davon zu benachrichtigen und bedaure, daß man mir zuvorgekommen ist,« sagte Gérard und senkte die Augen unter dem zornig erregten Blicke seines Vaters. »Ich habe meine Besuche in Salvanches eingestellt, weil ich Fräulein Grandfief nicht liebe.«
»So! ... Und weil dein Herz anderweitig vergeben ist, nicht wahr? Ich weiß im voraus alle die Dummheiten, die du jetzt vorbringen willst; aber warum bist du mit dieser Grille im Kopf zuerst heuchlerisch nach Salvanches gegangen,auf die Gefahr hin, mich bei einer achtbaren Familie eine lächerliche Rolle spielen zu lassen?«
»Um Vergebung, Vater, als ich dir zu Frau Grandfief folgte, war mein Herz noch frei; ich habe geglaubt, ehrlich zu handeln, als ich mich dort lossagte, sobald ich eine andere liebte.«
»Ja, eine Intrigantin, der du wie ein Gimpel auf den Leim gegangen bist! ... Was gedenkst du nun zu thun?«
»Fräulein Laheyrard zu heiraten, sobald ich deine Einwilligung erlangt haben werde.«
»Weiter nichts! ... Und wenn ich sie verweigere?«
»So werde ich warten.«
»Du wirst warten ... was?« schrie Herr von Seigneulles wütend, »wohl bis du fünfundzwanzig Jahre alt bist und die gesetzliche Aufforderung an mich ergehen lassen kannst? ... Aber träume ich denn? Es gibt also keine Religion, keine Familie, keine Ehrfurcht mehr? ... Dies mir zu bieten! Hast du den Kopf verloren, oder hat dich die republikanische Sittenverderbnis so sehr vergiftet, daß sie dir die Achtung vor dir selbst und vor anderen ganz geraubt hat?«
Gérard wagte zum erstenmal seinem Vater voll ins Gesicht zu blicken und sagte mit fester Stimme:
»Ich sagte, ich würde warten, Vater, weil ich weiß, daß du gerecht bist ... Wenn du meine Geduld und meine ehrerbietige Beharrlichkeit siehst, wirst du auch erkennen, daß es sich um eine ernste Neigung handelt, und wirst nicht zwei Herzen unglücklich machen wollen, die nichts so sehr wünschen, als dich lieben zu dürfen ...«
»Romanhafte Redensarten, alles das! Nein, du wirst meine Geduld nicht auf die Probe stellen und mich nicht bewegen, meine Einwilligung zu einer so thörichten Heirat zu geben. Wenn dir meine Art und Weise nicht gefällt, so wirst du mein Haus sofort verlassen; ich werde dir dein Pflichtteil ausbezahlen, und du kannst ferne von mir leben wie der verlorene Sohn ...«
Mitten in seiner feierlichen Rede brach der Chevalierab. Das Naturell des Grundbesitzers und die Klugheit des Lothringers gewannen wieder die Oberhand. Er fürchtete, beim Worte genommen zu werden und die Demütigung zu haben, seinem Sohn Rechnung ablegen zu müssen. »Sapperment!« rief er, »wenn du diesen äußersten Schritt thätest, würdest du meinen feierlichen Fluch mit dir nehmen!«
Gérard war sehr blaß geworden und preßte die Lippen zusammen.
»Ich gebe dir einen Monat Zeit zur Ueberlegung,« beeilte sich der Chevalier hinzuzufügen, »da ich aber den Skandal nicht liebe, wirst du deine Betrachtungen wo anders als in Juvigny anstellen. Er öffnete heftig das Fenster und rief hinaus: »Baptist, spanne Bruno an den kleinen Wagen!« Dann wandte er sich wieder zu seinem Sohn: »Baptist wird dich sofort nach Groß-Allard fahren. Du wirst mir das Vergnügen machen, einige Wochen dort zuzubringen; das wird dir die Gedanken ein wenig auffrischen!«
Schon bei dem Gedanken, abreisen zu müssen, ohne Helene, die ihn erwartete, gesehen zu haben, fühlte Gérard eine heftige Neigung zur Empörung; seine Augen funkelten von Thränen und entrüsteten Blitzen, aber er hatte nicht umsonst sechs Jahre bei den Jesuiten in Metz verlebt. Er hatte dort eine mit geheimen Vorbehalten und stillschweigenden Uebereinkünften getränkte Luft eingeatmet und sich unwillkürlich eine Fügsamkeit angeeignet, an der das Herz weniger Anteil hatte, als der Körper.
»Gut,« sagte er sich verbeugend, »ich werde gehorchen.«
»Geh und triff deine Vorbereitungen,« antwortete der unbeugsame Chevalier, »du wirst in einer halben Stunde abreisen!«
Wirklich zog auch eine halbe Stunde später der von dem schweigsamen Baptist kräftig angetriebene Bruno den Wagen im Trab auf dem Wege nach Groß-Allard fort; aber als sie mitten im Walde waren,
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