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Gérards Heirat

Titel: Gérards Heirat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Theuriet
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bei ihren Lieferanten und Nachbarinnen mit gewohnter Zungenfertigkeit sehr deutliche Anspielungen zu machen auf die nicht allzu ferne Zeit, in der Helene sich ›Frau von Seigneulles‹ nennen würde. Die Unvorsichtigkeit der jungen Leute und die Ungeschicklichkeiten Frau Laheyrards wurden mit jener dem Menschengeschlecht überhaupt, und ganzbesonders dem in kleinen Städten lebenden Teil desselben, eigenen liebenswürdigen Milde ausgelegt und ausgeschmückt. Schon nach wenigen Tagen gab es kein Haus mehr, in dem man nicht über die Liebschaft Gérards und Helenens gezischelt hätte. Die Neuigkeit machte die Runde in Juvigny, sie schlängelte sich den Hügel hinan, verbreitete sich in den stillen Straßen der oberen Stadt und stieg dann durch die Gärten wieder hinab an das Ufer des Ornain, wo sie sich in den Back- und Waschhäusern wieder verlor. Nur die Beteiligten ahnten nichts von den Gerüchten, welche die Stadt in Aufregung versetzten. Verliebte leben in einer anderen Welt; von ihrer Leidenschaft geht ein leuchtendes Fluidum aus, das sie verrät, aber auch absondert, so daß sie jenem in den Gießbächen der Pyrenäen lebenden Vogel Seelerchen oder Wasseramseln. gleichen, der von Gischt umgeben dahin schwimmt und in den Fluten der Sturzbäche sich so abgeschlossen bewegt, wie der Taucher in seiner Glocke. Helene und Gérard erwachten erst aus ihrer Verzückung, als die Rückkehr des Herrn von Seigneulles angekündigt wurde.
    »Mein Vater kommt morgen vormittag zurück,« sagte Gérard eines Abends, »und ich werde sofort mit ihm reden.«
    »Ich werde beständig an Sie denken, während Sie ins Verhör genommen werden,« antwortete Helene; – sie versuchte zu lächeln, aber sie zitterte innerlich bei dem Gedanken, daß ihr Schicksal ganz in der Hand des fürchterlichen Chevaliers liege. »Sie besuchen uns dann abends und erzählen mir alles!«
    In der That ließ Herr von Seigneulles am anderen Morgen, nach einem einfachen Frühstück in Groß-Allard, Bruno satteln und ritt fröhlich durch die Wälder des Jura nach Hause. Der Chevalier war sehr zufrieden; seine ganze Ernte war in die Scheunen gebracht und gedroschen, sein Grummet stand dicht und die Trauben fingen an sich zu färben und versprachen eine gute Lese. Während er an den Laufgräben entlang ritt, sagte er sich, daß die Liebe zwischenGérard und Fräulein Grandfief ebensoweit gediehen sein werde, wie seine Weinberge und nahm sich vor, die Hochzeit noch vor Allerheiligen zu feiern. Sobald er Bruno dem Baptist anvertraut hatte, trat er in die Küche, wo ihm Marie zwei Briefe übergab, die der Postbote den Tag vorher gebracht hatte. Der erste war eine sehr lakonische Epistel von Frau Grandfief. Georginens Mutter teilte dem Chevalier trocken mit, daß sie ihm sein Wort zurückgebe und auf eine Verbindung verzichte, für die ihre Tochter und Gérard gleich wenig Neigung hätten.
    Der zweite Brief war von unbekannter Hand und trug keine Unterschrift; er lautete folgendermaßen:
    »Wohlmeinende Freunde halten es für ihre Pflicht, Herrn von Seigneulles von den häufigen Besuchen seines Sohnes bei Fräulein Laheyrard, die dadurch bloßgestellt wird, in Kenntnis zu setzen. Man weiß, daß die jungen Edelleute heutzutage mit Vorliebe mit jungen Mädchen ohne Vermögen ihr Spiel treiben ... aber das sind Prinzenspiele, die nur denen gefallen, die sie machen. Wenn Herr von Seigneulles nicht ganz verblendet ist, wird er einem Umgang, über den die ganze Stadt empört ist und der eine traurige Meinung von den Sitten der in Frömmigkeit erzogenen Jugend erweckt, ein Ziel setzen.«
    Der alte Gardeoffizier stieß einen Fluch aus, der die Fensterscheiben der Küche erzittern machte. »Wo ist mein Sohn?« schrie er. Gérard war nach dem Frühstück verschwunden und Marie hatte geglaubt, er sei dem gnädigen Herrn entgegengegangen ... Ohne weiter auf die wortreichen Erklärungen der alten Dienerin zu achten, rannte der Chevalier, wie er war, in die Wohnung des Abbé Volland. Er fand den Geistlichen unter seinen Buchen, wo er feierlich auf und ab ging und in seinem Brevier las.
    »Wissen Sie, was geschehen ist?« begann er, dem Abbé in den Weg tretend.
    Dieser betrachtete über seine Brille weg die funkelndenAugen, die vor Zorn ganz spitz gewordene Adlernase, und den in Unordnung geratenen Anzug des Chevaliers, und fragte: »Ist in Groß-Allard Feuer ausgebrochen?«
    »Zum Kuckuck! Als ob davon die Rede wäre ... Aus Gérards Heirat wird nichts!«
    Der Geistliche wischte

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