Geraubte Erinnerung
Weise sinnvoll, sie zu beurlauben. Aber jetzt begreife ich. Mein Gott, ich wünschte, Fielding wäre bei uns!«
Rachel sah mich von der Seite an. »Aber wenn sie so dicht vor dem Erfolg standen, warum haben sie Fielding dann umgebracht? Wenn Godin es tatsächlich geschafft hat, Trinity zum Arbeiten zu bringen, würde sich irgendjemand um die medizinischen Nebenwirkungen oder sonst etwas scheren?«
»Da haben Sie nicht ganz Unrecht. Wenn sie es tatsächlich geschafft haben, ist Godin so gut wie unverwundbar. Wir besitzen nicht genügend Informationen, Rachel. Vielleicht …« Meine Hände wurden eiskalt. »O Gott!«
»Was ist?«
»Ich weiß, warum sie Fielding ermordet haben.«
»Warum?«
»Sie konnten es sich leisten.«
»Wie meinen Sie das?«
»Gestern verkündete John Skow, dass man Fielding nicht ersetzen würde. Ich dachte, er wäre verrückt. Aber jetzt verstehe ich. Wenn sie über einen Prototyp-Computer verfügen, dann ist Fielding nicht tot !«
Rachel starrte mich verwirrt an. »Wieso nicht? Was bedeutet das?«
»Das bedeutet, dass sie Fieldings Neuromodell jederzeit in den Trinity-Computer laden können, genauso, wie sie michgeladen haben. Sie haben jederzeit Zugriff auf Andrew Fieldings Verstand! Er kann die verbliebenen Probleme für sie lösen.«
Rachel fuhr einige Zeit wortlos weiter. »Okay«, sagte sie schließlich. »Nehmen wir mal für einen Augenblick an, es wäre möglich. Warum sollte Fielding den Leuten helfen, die ihn ermordet haben?«
Ein Gefühl widerwilliger Bewunderung überkam mich. Peter Godin war skrupelloser, als ich mir in meinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte. »Fieldings Neuromodell hilft ihnen, weil es nicht weiß, dass sie Fielding ermordet haben. Andrew Fieldings Super-MRI-Scan wurde vor sechs Monaten angefertigt. Er besitzt keinerlei Erinnerungen an das, was in der Zwischenzeit geschehen ist. Der Andrew Fielding aus dem Scan weiß nicht einmal, dass er inzwischen mit Lu Li verheiratet ist.«
»David, das ist unmöglich!«
»Ist es nicht. Wir stehen ganz dicht vor einem revolutionären Sprung in der Wissenschaft. Ähnlich der Spaltung des Atoms, der Entschlüsselung des menschlichen Genoms oder dem Klonen von Schafen.«
»Aber wovon Sie da reden, ist etwas ganz anderes! Die Befreiung des menschlichen Bewusstseins vom Körper!«
Ich dachte darüber nach. »Sie haben Recht. Es ist etwas viel Größeres, weil es uns die Fähigkeit verleiht, diese Fortschritte schneller und schneller zu machen. Oder genau genommen nicht uns, sondern das, was auch immer entsteht, wenn sich ein Bewusstsein in Trinity entwickelt. Und das wird es tun, sehr schnell sogar!«
»Sie wissen nicht mit Sicherheit, dass sie es geschafft haben.«
»Sie waren schon vor der Suspension des Projekts ganz dicht davor. Vielleicht haben sie nur eine primitive Version am Laufen. Vielleicht können sie nur auf meine Erinnerungen zugreifen. Bilder beispielsweise … ohne imstande zu sein, das Modell als echtes Bewusstsein zu implementieren. Menschliche Erinnerungen sind Ravi Naras Spezialgebiet, und auf diesem Gebiethaben sie von Anfang an große Fortschritte gemacht. Wir wissen es einfach nicht.«
Rachel berührte mich am Arm. »Falls Sie Recht haben – wie viel wissen sie über das, was wir in diesem Augenblick tun?«
»Nichts, hoffe ich. Sie können nicht auf irgendeine geheimnisvolle Weise meine Gedanken lesen. Wahrscheinlich besitzen sie meine Erinnerungen von Kindesbeinen an bis zu dem Zeitpunkt des MRI-Scans vor sechs Monaten. Was meine Gedankenprozesse angeht, mein Urteilsvermögen, meine Persönlichkeit – dazu wäre ein voll funktionsfähiger Trinity-Computer nötig. Und falls sie den besitzen …«
»Was?«
»Wäre es dem Präsidenten egal, was mit zwei Forschern geschieht. Die Nation akzeptiert weitaus mehr Tote beim Bau eines Wolkenkratzers oder einer neuen Brücke. Sie und ich, wir sind ein verschwindend kleiner Preis für die strategische Überlegenheit, die Trinity den Vereinigten Staaten bringen wird. Falls sie Trinity tatsächlich fertig gestellt haben, sind wir so gut wie tot.«
Sie deutete durch die Windschutzscheibe nach vorn. »Dort ist Caryville. Und die I-75. Fahren wir von hier aus nach Norden oder nach Süden?«
»Fahren Sie rechts ran.«
Sie wurde langsamer und hielt auf dem Seitenstreifen, kurz vor der nach Norden führenden Auffahrt.
»Ich versuche, vor mir selbst zu flüchten«, dachte ich laut. »Um das zu tun, müssen wir rein zufällige Entscheidungen
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