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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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saßen und nicht in Rachels Praxis. Hier gab es niemanden, den sie anrufen konnte, um mich einzuweisen. »Weil ich nicht länger glaube, dass es Halluzinationen sind, Rachel. Oder Träume. Ich glaube, es sind Erinnerungen.«
    Sie stieß frustriert den Atem aus. »Erinnerungen? Mein Gott, David! Was geschieht in diesen Träumen?«
    »Ich durchlebe Teile vom Leben Jesu Christi. Seine Reise nach Jerusalem. Seine Erfahrungen dort. Ich höre Stimmen. Meine eigene … die meiner Jünger. Rachel, was ich in meinem Kopf sehe, ist realer als die Wirklichkeit rings um mich herum!Und die Ereignisse finden in rascher Abfolge statt. Ich nähere mich der Kreuzigung.«
    Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Wie können Sie zweitausend Jahre alte Erinnerungen haben, die Ihnen erst vor sechs Monaten zu Bewusstsein gekommen sind?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Diese Träume … erwecken sie in Ihnen das Verlagen, nach Israel zu reisen?«
    Ich hatte meine Gefühle vorher nicht als Verlangen wahrgenommen, doch genau das waren sie. Das, was ich als allgemeinen Wunsch empfunden hatte, war in Wirklichkeit ein sich langsam verstärkendes Verlangen, zum Ort meiner Träume zu reisen.
    »Ins Heilige Land«, sagte ich. »Ja.«
    »Haben Sie Angst, Sie könnten im richtigen Leben sterben, wenn Sie nicht vor der geträumten Kreuzigung dort eintreffen?«
    »Kann sein. Ich würde eher sagen, es ist ein Gefühl, dass ich die Chance verspiele zu begreifen, was meine Träume mir zu sagen versuchen, wenn ich nicht möglichst bald dorthin fahre.«
    Rachel starrte auf den entgegenkommenden Verkehr, und ihr Kopf schaukelte langsam vor und zurück. Dann wandte sie sich plötzlich zu mir um und sah mich aus großen, hellen Augen an.
    »Wissen Sie, welcher Tag heute ist?«
    »Nein.«
    »Wir haben weniger als eine Woche bis zum Osterfest.«
    Ich blinzelte. »Und?«
    »Wir nähern uns dem traditionellen Datum, an dem sich der Tod Jesu Christi jährt, und seine Auferstehung. Nicht nur in Ihren Träumen, David, sondern auch in der Wirklichkeit.«
    »Wollen Sie andeuten, dass beides miteinander in Verbindung steht?«
    »Selbstverständlich. Irgendwie führt das bevorstehende Osterfest dazu, dass Sie diese Träume haben, diesen Drang. Sie sind wie die Leute, die dachten, die Welt würde enden, als derJahrtausendwechsel kam. Sehen Sie das denn nicht? Das alles ist Bestandteil des halluzinatorischen Systems, unter dem Sie leiden!«
    Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Sie irren sich. Was die Daten angeht, haben Sie allerdings Recht. Sie könnten tatsächlich von Bedeutung sein.«
    Rachel beobachtete mich wie jemanden, der im Begriff stand, sie gründlich auf den Arm zu nehmen, ohne dass sie zu sagen vermocht hätte, worin die Pointe bestand. »Was ist mit dem Treffen mit dem Präsidenten?«
    »Das machen wir, sobald wir zurück sind. Welchen Unterschied machen schon ein paar Tage? Insbesondere, wenn wir dadurch am Leben bleiben?«
    Sie schloss die Augen. »Haben Sie eigentlich Andrew Fielding von Ihren Halluzinationen erzählt?«, fragte sie leise.
    »Ja.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Dass ich sie nicht verdrängen soll. Fielding hat stets gesagt, dass wir in unserem Bemühen, den Trinity-Computer zu bauen, in den Fußstapfen Gottes wandeln würden. Er konnte ja nicht ahnen, wie Recht er hatte.«
    »Das passt. Zwei Erbsen in einem Topf.« Sie legte die Hände auf das Lenkrad, als wollte sie losfahren, doch sie ließ den Wählhebel auf der Parkstellung stehen. »Sie haben tatsächlich vor, diesen Halluzinationen bis nach Israel zu folgen?«
    »Ja.«
    »Und Sie räumen ein, dass es sich bei diesen Halluzinationen um die Folgen einer Hirnschädigung handeln könnte?«
    »Keine Hirnschädigung in dem Sinne, wie Sie es verstehen.« Ich dachte an Fieldings Erregung, als er seine Theorie von Bewusstsein erläutert hatte. »Sondern Störungen der Quantenprozesse in meinem Gehirn.«
    Rachels Hände packten das Lenkrad so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Sie sind wie jemand, der geträumt hat, er wäre einst ein Pharao gewesen, und der nun nach Ägypten reist, um den Sinn seines Lebens zu entschlüsseln.«
    »Vermutlich bin ich das, ja. Ich weiß selbst, wie verrückt das alles klingt. Die Sache ist nur, wir haben keine bessere Alternative. Wenn es Sie ruhiger macht, wir tun es deshalb, weil der Trinity-Computer es unmöglich vorhersagen kann.«
    »Er kann nicht vorhersagen, dass Sie nach Israel fahren?«
    »Nein. Es war der Super-MRI-Scan, durch den

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