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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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gesehen, wie sie den Schuss abgegeben hätte, der die weibliche Bundesbeamtin verletzt hatte. Was mich am meistenerschreckte, war, dass der abschließende Kommentar des Artikels aus dem Mund von Ewan McCaskell stammte, dem Stabschef des Präsidenten, der sich noch in China zu dem Vorfall geäußert hatte.
    »Dr. Tennant und der Präsident sind sich bereits einmal im Oval Office begegnet«, sagte Ewan McCaskell. »Der Präsident hat ihn für sein Buch über medizinische Ethik bewundert. Er bedauert sehr, dass dieser geschätzte Arzt offensichtlich eine Art psychotischen Zusammenbruch erlitten hat, und er hofft, dass Dr. Tennant geheilt werden kann, bevor etwas Tragisches passiert.«
    Ich befürchtete, dass Mary Venable den Artikel lesen und mich verraten könnte, doch eine Stunde später kam sie mit unseren neuen Pässen, zwei Führerscheinen des Staates Virginia und den Schlüsseln zu unserem »geliehenen« Wagen vorbei. Sie hatte den Artikel gelesen, doch ihre Loyalität Rachel gegenüber war stärker als ihr Glaube an die Wahrheit von Zeitungsberichten und Nachrichtensendungen. Ich verlor keine Zeit, und bald darauf waren wir auf der I-95 und unterwegs nach New York.
    Die Tatsache, dass mein Name und mein Gesicht in der ganzen Nation in den Nachrichten waren, bestärkte mich nur in dem Beschluss, das Land zu verlassen. Die NSA glaubte wahrscheinlich, dass ich noch immer vorhatte, am übernächsten Tag den Präsidenten zu treffen, also war meine Flucht aus den Vereinigten Staaten das Letzte, womit sie rechnen würde. Es war riskant, ausgerechnet über den JFK Airport auszureisen, doch falls es uns gelang, waren wir zumindest fürs Erste in Sicherheit.
    Während des ersten Teils der Fahrt sprach Rachel kaum ein Wort, und nichts von dem, was ich zu ihr sagte, schien zu ihr durchzudringen. Als wir jedoch New Jersey erreichten, hatte sie sich weit genug gefasst, um mit einer Liste von Kleidergrößen in eine kleine Mall zu gehen und uns Kleidung für die Reise nach Israel zu kaufen. Außer diesem Abstecher hielten wir unterwegs lediglich zum Tanken, und ich verließ nicht ein einzigesMal den Wagen. Kurz vor der Stadtgrenze von New York rief Rachel bei Adam Stern an und erzählte ihm eine Geschichte, die ich mir ausgedacht hatte, um zu erklären, warum sie ihn gebeten hatte, die Reservierungen für uns vorzunehmen.
    Wegen des Ostertourismus war Stern gezwungen gewesen, uns auf einem Nachtflug der El Al zu buchen, was mir nicht wenig Kopfzerbrechen bereitete. Ich trug eine Baseballmütze der Yankees, als wir den Flughafen betraten, und betete darum, dass mein Aussehen unauffällig genug war, um keine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Am Flugschalter der El Al lief alles überraschend glatt. Ich übernahm das Reden, und Rachel antwortete nur, wenn sie direkt gefragt wurde. Meine eigentliche Sorge war die formlose Sicherheitsbefragung, die jeder Passagier über sich ergehen lassen musste, der an Bord einer israelischen Maschine stieg. Nach Sterns Worten kamen ein oder zwei zivile Beamte des israelischen Sicherheitsdienstes auf einen zu, während man in der Abflughalle saß, und verwickelten einen in eine Unterhaltung, um sich ein Bild von den Absichten des betreffenden Reisenden zu machen. Wir konnten diese »Unterhaltung« unmöglich überstehen, wenn Rachel nicht mehr aus sich herausging und den Beamten Rede und Antwort stand.
    »Das Hühnchen mit Brokkoli sieht gut aus«, sagte ich und deutete auf den Teller hinter der Scheibe des Tresens mit chinesischem Essen. »Was meinst du?«
    »Meinetwegen«, antwortete Rachel mit tonloser Stimme.
    Ich berührte sie an der Schulter. »Alles in Ordnung?«
    Sie antwortete nicht.
    Ich trat an ihr vorbei und bestellte zweimal Hühnchen mit Brokkoli. Als ich bezahlte, hörte ich hinter mir einen Mann, der Rachel ansprach.
    »Hallo. Wir haben mit Ihnen in der gleichen Schlange am Schalter der El Al angestanden. Fliegen Sie zur Heiligen Osterwoche rüber?«
    »Äh … nein«, antwortete Rachel.
    Ich drehte mich um und sah zwei dunkelhäutige Männer von mittlerer Größe hinter uns. Sie hatten intelligente Augen und ein freundliches Lächeln, und sie sahen aus wie Brüder.
    »Dann besuchen Sie also Ihre Familie?«, fragte der zweite der beiden, der eine schwere goldene Kette um den Hals trug.
    »Nein«, antwortete Rachel verlegen. »Es ist eine private Angelegenheit. Ein gesundheitliches Problem.«
    Besorgte Blicke. »Oh. Bitte verzeihen Sie, wir wollten Ihnen nicht zu nahe

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