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Geraubte Erinnerung

Geraubte Erinnerung

Titel: Geraubte Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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Ihrer Meinung nach zu bedeuten?«
    Der Ingenieur zuckte die Schultern. »Vielleicht überhaupt nichts. Doch Peters Intuition hat sich zu häufig als richtig erwiesen, als dass man sie ignorieren dürfte. Es war schließlich die Arbeit, die in Dr. Fieldings Kristall gespeichert war, die uns überhaupt erst so weit gebracht hat. Falls die verarbeitenden Bereiche seines Modells effizienter funktionieren als die von Dr. Tennant … es könnten sich völlig neue Aspekte ergeben.«
    Ravis Herzschlag ging schneller. »Und wie stehen die Chancen, dass dies geschieht?«
    Levin machte sich nicht die Mühe einer Antwort.
    Ravi hätte dem großen Mann am liebsten eine Ohrfeige gegeben, doch die Implikationen dessen, was er soeben erfahren hatte, ließen diesen Impuls rasch wieder verschwinden.
    »Sehr gut«, sagte er. »Machen Sie weiter.«
    Levins arrogantes Grinsen zeigte Ravi nur zu deutlich, wie wenig Gewicht seine Worte jetzt noch besaßen.
    Ravi verließ den Hangar, stieg in seinen ATV und ließ den Motor aufheulen. Wenn das, was Levin gesagt hatte, der Wahrheit entsprach, war sein Anruf bei Skow voreilig gewesen. Trinity würde vielleicht trotz Godins Tod rasch eine Realität werden. Und falls das geschah, würde sich alles ändern. Statt nach Sündenböcken würde der Präsident nach Leuten suchen, an deren Brust er Orden heften konnte. Und falls Ravi seine Karten richtig ausspielte, würde er der Erste in der langen Reihe sein.
    Auf der Rückfahrt zu seinem Büro betrachtete er die Betonschale, unter der sich der Prototyp seiner Vollendung näherte. Halb vergraben im Sand strahlte sie eine Macht aus, die Ravi bisher noch nirgendwo auf der Welt gespürt hatte. Er kannte die Unruhe, die man spürte, wenn man sich in einem Atomkraftwerk befand. Doch die Gefahren in einem nuklearen Reaktor waren quantifizierbar. Selbst der größte anzunehmende Unfall war vorhersagbar, weil Kernbrennstoff, so gefährlich er auch sein mochte, immer noch Naturgesetzen gehorchte.
    Trinity war etwas ganz anderes.
    Fünfzig Meilen nördlich von dieser Forschungsanlage hatte die erste atomare Explosion in der Geschichte der Menschheit den Wüstenboden in Glas verwandelt. Robert Oppenheimer hatte voller Ehrfurcht in den Feuerball gestarrt, doch seine Ehrfurcht hatte genauso sehr seiner eigenen Leistung gegolten wie der neuen Waffe, die er erschaffen hatte. Falls der Computer im Innern des Prototypgebäudes sein volles Potenzial erreichte – falls jedes Problem gelöst werden konnte und ein Neuromodell mit einer Effizienz von neunzig Prozent oder mehr arbeitete –, würde Peter Godins Schöpfung Oppenheimers tödliches Spielzeug zu einem Nichts verblassen lassen. Denn wenn Menschen in das Auge von Trinity sahen, würde Trinity diesen Blick erwidern. Und Trinity würde wissen, was es vor sich hätte.
    Eine unterlegene Lebensform.

29
    I ch erwachte in einem schweißdurchtränkten T-Shirt und hatte nicht die geringste Vorstellung, wo ich mich befand. Ein klebriger Film bedeckte mein Gesicht, und neben mir lag eine dunkelhaarige Frau im Bett. Ich konnte an der Form ihrer Schulter sehen, dass es eine Frau sein musste. Nachmittägliches Sonnenlicht fiel durch einen Vorhang zu meiner Linken auf zwei am Boden stehende Koffer. Dann erinnerte ich mich wieder …  Jerusalem.
    Ein Traum hatte mich aufwachen lassen, und es war kein normaler Traum gewesen. Ich hatte nur das Gesicht eines Mannes gesehen, der sich vorbeugte, um mich zu küssen. Das Bild ließ mich erschauern, doch ich kämpfte gegen den Drang, es aus meinen Gedanken zu vertreiben. Soldaten, erinnerte ich mich. Soldaten mit Schwertern …
    Ich stand in der Dunkelheit unter einem Baum in einem duftenden Garten. Rings um mich herum schliefen Männer im Gras. Ihr schnarchender Atem erweckte in mir ein Gefühl von Einsamkeit. Furcht arbeitete in mir, die Angst, dass der Tod näher und näher kam. Zu meiner Rechten hörte ich einen Tumult, dann brachen Soldaten unter den Bäumen hervor, rannten zwischen den Schlafenden hindurch, suchten und brüllten Befehle. Ein Mann in einer Robe trat aus dem Schatten auf mich zu. Ich stand erstarrt wie in einem Albtraum, als er sich vorbeugte und mich auf die Wange küsste. Seine Lippen fühlten sich wächsern und kalt an. Als er sich von mir löste, packten mich die Soldaten …
    Rachel regte sich unter der Bettdecke. Ich sah auf meine Uhr. Es war halb vier nachmittags, israelischer Zeit, sieben Stunden später als in New York. Ich konnte es nicht glauben

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